Grünliberale als einzige Mittepartei zwischen Rot-Grünen und Bürgerlichen im Zürcher Gemeinderat Bei den Stadtzürcher Wahlen haben EVP und SD alle Sitze verloren. Weil die Grünliberalen nun allein zwischen den politischen Lagern stehen, wird ihre Rolle gestärkt. Es dürfte zudem einfacher werden, bürgerliche Mehrheiten zu finden.
Adi Kälin
Auf die neue Legislatur hin wechseln die Grünliberalen die Seite im Rathaussaal – von der rot-grünen auf die bürgerliche. Dieser Wechsel ist aber vorerst nur geografischer und nicht ideologischer Art, wie Vertreter der GLP am Dienstag an einer Pressekonferenz versichert haben. Weil EVP und SD aus dem Rat ausgeschieden sind, rutschen die Grünliberalen nach. Auf der andern Seite braucht es mehr Platz für die deutlich erstarkte Fraktion der Alternativen.
Die Grünliberalen wollen auch künftig je nach Thema der linken oder der bürgerlichen Seite im Gemeinderat zu einer Mehrheit verhelfen. Die Bürgerlichen sollen vor allem bei der Finanzpolitik und der Schaffung von guten Rahmenbedingungen für Gewerbe und Wirtschaft unterstützt werden, Rot-Grün erhält dafür weiterhin Support bei Energie- und Verkehrsfragen – wenn auch nicht uneingeschränkt.
Zwischenposition der GLP
Bei den Parlamentswahlen haben sich die Lager nicht grundlegend verändert. SP und Grüne stagnierten, die AL legte dagegen um 4 Mandate zu. Mit gesamthaft 62 Sitzen hat die rot-grüne Seite nur ganz knapp die Mehrheit im 125-köpfigen Rat verpasst. Auf bürgerlicher Seite verloren CVP und SVP je 1 Sitz, während die FDP gleich deren 3 hinzugewann. Dazwischen steht die GLP, die ihre Vertretung noch um 1 Sitz ausbauen konnte. Fraktionspräsident Gian von Planta ist überzeugt, dass es künftig einfacher sein wird, bürgerliche Mehrheiten zu bilden – und zu halten. 2010 fand sich ja eine breite bürgerliche Koalition, um das Budget 2011 zurückzuweisen. Kurze Zeit später begann das lockere Bündnis aber bereits wieder zu bröckeln. Ab und zu bestimmten auch die EVP oder die SD, für welche Seite ein Entscheid ausfiel.
Die Grünliberalen sind überzeugt, dass sie in zentralen städtischen Politfragen eine Zwischenposition einnehmen können. So verfolgen sie etwa bei der neuen Bau- und Zonenordnung einen eher bürgerlichen Ansatz, indem sie sich für Aufzonungen aussprechen und ihre Idee neuer Hochhauszonen weiterverfolgen. Auf der andern Seite sprechen sie sich mit der Linken zusammen für die Mehrwertabschöpfung aus. Und beim Schutz des bestehenden Grünraums sind sie auch klar auf rot-grüner Seite. Beim Thema Wohnen ist die GLP zwar für die Förderung der Genossenschaften, will aber mehr Transparenz sowie Belegungsvorschriften. Auch soll die sogenannte Richtlinie 65, mit der ein für die Genossenschaften sehr günstiger Baurechtszins berechnet wird, überarbeitet werden. Es dürfe ja nicht sein, dass der Mittelstand einen andern Teil des Mittelstands subventioniere, sagte Gian von Planta.
Gegen zu viele Vorschriften
In der Schulpolitik wollen die Grünliberalen den Weg hin zur Tagesschule als Standard vorantreiben, wie Isabel Garcia sagte. Mit den Bürgerlichen im Boot sieht man sich dagegen, wenn es darum geht, das ausufernde Berichts- und Zertifizierungswesen und immer neue sonderpädagogische Massnahmen einzudämmen. Auch gegen die unzähligen Vorschriften, die das Bauen behindern und verteuern, will man vorgehen.
Wer im Zürcher Gemeinderat erfolgreich politisieren will, muss immer mit wechselnden Mehrheiten umgehen können. Die absolute Mehrheit einer einzigen Partei gab es nur gerade von 1931 bis 1938, als die SP das «rote Zürich» prägte. In den letzten Jahrzehnten errang die rot-grüne Seite zweimal eine Mehrheit, 1990 und 2006. Im Jahr 1982 konnten dafür die Bürgerlichen ihre Muskeln spielen lassen: Sie brauchten für die Mehrheit lediglich eine Stimme von SD oder EVP. Meist aber ging es darum, Mehrheiten für ganz bestimmte Themen zu bilden. Dies war auch in der letzten Legislatur nicht anders: CVP und EVP verhalfen zwar der bürgerlichen Seite mitunter zu einer Mehrheit in Finanzfragen, beim wohnpolitischen Grundsatzartikel, der eine Forcierung des gemeinnützigen Wohnungsbaus fordert, schlugen sie sich aber auf die Seite von Rot-Grün.
Die Grünliberalen standen in beiden Fragen auf bürgerlicher Seite. Bei einer nicht allzu relevanten, dafür allerdings hochaktuellen Frage rückten die Grünliberalen in den letzten Jahren von der bürgerlichen Position ab: Weil sie dies taten, können Zürcherinnen und Zürcher heute den Hafenkran bestaunen, der sonst einer gemeinderätlichen Sparübung zum Opfer gefallen wäre.