Jonas Fricker, der Präsident der Grünen Aargau, verfolgte die Wahlen in Zürich am Sonntag intensiv. Und er kommentierte sie auch auf Twitter: «Wie wärs mit dem Projekt Wiedervereinigung der Grünen und der GLP? Die grünen Kräfte bündeln.»
Auf eine Nachfrage der az erklärt Fricker: «Nach den Wahlen im Kanton Zürich sind Vertreter von Grünen und Grünliberalen mit dieser Idee auf mich zugekommen.»
Er ergänzt, die Zusammenarbeit mit der GLP im Grossen Rat laufe grundsätzlich gut. «Wir sind bei vielen Umweltthemen auf der gleichen Linie – wenn es um Sozial- und Finanzpolitik geht, sind die Grünliberalen aber klar bürgerlich ausgerichtet», relativiert Fricker.
Heute mehr Wählerpotenzial?
Er gibt zu bedenken, dass es schon heute innerhalb der Grünen Aargau eine grosse Bandbreite an Positionen gebe. «Das fördert die kontroversen Diskussionen und die Meinungsbildung. Insofern wäre ein Zusammengehen mit der GLP sicher eine Herausforderung, aber keine unlösbare Aufgabe», schätzt Fricker.
Dennoch ist er persönlich gegen einen Zusammenschluss mit der GLP. «Die inhaltlichen Differenzen sind relativ gross und ich bin überzeugt, dass zwei separate Parteien ein grösseres Wählerpotenzial haben als eine», begründet Fricker.
Als gut funktionierendes Beispiel für mehrere grüne Kräfte verweist Fricker auf die Situation in Baden. Dort gibt es mit dem Team, den Grünen und der GLP drei ökologisch ausgerichtete Kräfte. «Wir haben hier nur gute Erfahrungen gemacht. Alle Bereiche des grünen Spektrums sind abgedeckt, die drei Parteien ergänzen sich gut und arbeiten zusammen.»
Kälin kritisiert Fusions-Idee
Sehr kritisch steht Irène Kälin, die Spitzenkandidatin der Grünen für den Nationalrat, der Idee ihres Präsidenten gegenüber. «Ein solcher Zusammenschluss geht aus meiner Sicht gar nicht», macht Kälin klar, die sich auf Twitter selber als «grünste aller Melonen» bezeichnet.
Für die junge Grossrätin wäre es «verhängnisvoll, mit einer Mittepartei zusammenzugehen, die mit komischen Mitteln versucht, wirtschaftlichen Interessen einen grünen Anstrich zu geben».
Kälin räumt ein, dass Grüne und GLP im Kantonsparlament oft gleich stimmen und die Positionen ähnlich sind. In vielen anderen Kantonen sei zum Teil aber überhaupt nicht klar, welche Positionen die Grünliberalen vertreten. «Wenn man zum Beispiel Martin Bäumle nimmt, dann steht er für eine klar bürgerliche Ausrichtung – und kann für uns deshalb kein Partner sein», hält Irène Kälin fest.
Und sie ergänzt: «Eigentlich sind die Grünliberalen eine Abspaltung der Grünen, jetzt wieder den Zusammenschluss zu suchen, wäre völlig falsch.»
Stattdessen müssten die Grünen im Aargau einen besseren Wahlkampf führen als in Zürich, sagt Kälin. «Es braucht keine abgehobenen Parolen wie ‹Lieber besser als mehr› und auch keine Aktionen mit Kandidaten, die sich als Ostereier verkleiden, sondern klare Botschaften», sagt sie. Und weiter: «Wenn wir Erfolg haben wollen, müssen wir ganz konkrete, handfeste Lösungen für Themen präsentieren, welche die Menschen beschäftigen.»
Obrist denkt an Regierungssitz
Ganz anders positioniert sich ihr Grossratskollege Robert Obrist. «Ich stehe dieser Idee offen gegenüber und finde, wir sollten den Vorschlag entspannt und in aller Ruhe diskutieren.» Er hält fest: «Bevor es die GLP gab, waren die ökologischen Kräfte bei den Grünen vereint.»
Letztlich gehe es um Wähleranteile, «die uns zum Beispiel berechtigen, im Aargau einen Regierungsratssitz zu beanspruchen», gibt Obrist zu bedenken. Bei den Nationalratswahlen müssten wohl weder die Grünen noch die GLP im Aargau um einen Sitz bangen, meint Obrist. «Es ist also nicht nötig, jetzt überstürzt den Rettungsanker auszuwerfen.»
Fusion nur unter Leidensdruck
Doch wie reagieren die Grünliberalen, die möglichen Fusionspartner? Gian von Planta ist Gründungsmitglied der GLP Zürich, war dort Fraktionschef und wohnt seit Oktober in Baden. «Dass eine Fusions-Idee jetzt aufkommt, ist logisch, weil Grüne und GLP in Zürich verloren haben», sagt er.
Von Planta ist im Prinzip offen für einen Zusammenschluss, schränkt allerdings ein: «Es gibt viele dogmatische Grüne im Aargau, gerade die Melonengrünen, die fast noch weiter links stehen als die SP, wären aus meiner Sicht keine Partner.»
Gian von Planta erklärt, auch nach den Verlusten vom Sonntag sei die grüne Bewegung in Zürich stärker, als früher mit nur einer Partei. «Für die ökologischen Kräfte ist es deshalb besser, dass es zwei Parteien gibt.»
Dennoch könnte eine Fusion aus seiner Sicht durchaus konkret werden «Ich glaube, das wäre ein Thema, wenn beide Parteien markant Wähleranteile verlieren und alleine keinen Sitz mehr erreichen würden», sagt von Planta.
Flach sieht klare Differenzen
«Ich zittere nicht um meinen Sitz und sehe keinen Anlass, nun mit den Grünen die Kräfte zu bündeln, wie es Jonas Fricker vorschlägt», sagt GLP-Nationalrat Beat Flach. Natürlich gebe es Gemeinsamkeiten bei Ökologie, Raumplanung oder Energiepolitik, räumt er ein. Flach: «Aber es gibt gerade auf Bundesebene auch klare Unterschiede: Wenn es um Wirtschaft, Finanzen, Sicherheit und Sozialausgaben geht, sind wir ganz anders ausgerichtet als die Grünen.»
Der hohe Wähleranteil vor vier Jahren in Zürich sei für die Grünliberalen eine erfreuliche Überraschung gewesen, sagt Flach. «Der heutige Stand zeigt wohl ungefähr die wahre Stärke der GLP.»
Der Nationalrat wäre zufrieden, wenn seine Partei bei den Nationalratswahlen einen Wähleranteil von acht Prozent erreichen würde. Das ist ähnlich hoch wie in Zürich, aber deutlich mehr als die 5,7 Prozent, welche die GLP im Aargau 2011 holte. Flach gib sich selbstbewusst: «Ich halte dies für ein realistisches Ziel.»