Überraschende Pläne des Zürcher Tiefbauamts
Die Idee stammte von Bruno Kammerer, dem langjährigen SP-Gemeinderat und Präsidenten der Verkehrskommission: Aus dem Helvetiaplatz und dem benachbarten Kanzleiareal solle ein einziger grosser Platz werden – «ein urbaner Kreis-4-Charakterkopf», verlangte Kammerer Mitte der neunziger Jahre in einer Motion. Der Stadtrat sperrte sich, doch der Gemeinderat beharrte auf der Forderung. Erst vor gut zwei Jahren liess er sich überzeugen, dass Platz und Idee wohl etwas gar gross wären für Zürich. Der Stadtrat hatte damit argumentiert, dass der öffentliche und der private Verkehr zu stark behindert würden, dass die Sicherheit der Schüler im Kanzleischulhaus ohne den dortigen Zaun gefährdet wäre und dass auch städtebauliche und historische Gründe gegen die Zusammenlegung der beiden Stadträume sprächen.
Ruth Genner winkte ab
Der Gemeinderat versenkte zwar die Motion vor zwei Jahren, schon kurz darauf aber reichte er eine neue nach, in der eine Begegnungszone zwischen Helvetiaplatz und Kanzleiareal gefordert wurde. Damit werde der Helvetiaplatz ebenfalls deutlich aufgewertet, begründeten die beiden Motionäre Gian von Planta (glp.) und Patrick Hadi Huber (sp.) ihren Vorstoss. Der Stadtrat hatte sich zunächst auch deutlich gegen diese Motion gewandt.
Die Grüne Ruth Genner, die damalige Vorsteherin des städtischen Tiefbau- und Entsorgungsdepartements, erklärte dem Gemeinderat vor zwei Jahren in aller Ausführlichkeit, warum die Verkehrsberuhigung an diesem Ort unmöglich sei. Zu viele Verbindungen und Abzweigungen würden damit über Gebühr gestört. Deshalb wäre auch nie eine Bewilligung des Regierungsrats für die Abklassierung der Strasse zu erhalten, sagte sie. Der Gemeinderat liess sich aber nicht beirren und überwies die Motion an den Stadtrat zur Behandlung und Berichterstattung.
Ein Novum für Zürich
In der Zwischenzeit hat das Tiefbau- und Entsorgungsdepartement, das neu vom Freisinnigen Filippo Leutenegger geleitet wird, eine grossangelegte Machbarkeitsstudie durchgeführt. Beteiligt waren das Tiefbauamt, die Dienstabteilung Verkehr des Polizeidepartements und die Verkehrsbetriebe. Die Studie hat gezeigt, dass die Einrichtung einer Begegnungszone durchaus machbar ist – allerdings wäre sie in der geplanten Art ein Novum für Zürich. In anderen Städten gibt es solche Zonen bereits, in denen auch Trams verkehren, in Zürich bis jetzt nicht. «Der Stadtrat ist der Ansicht, dass dies der richtige Ort ist, um ein solches Verkehrsregime umzusetzen», heisst es in der Motionsantwort. Das Tram hätte in dieser neuen Zone immer Vortritt, weshalb auch nur geringe Verzögerungen für den öffentlichen Verkehr zu erwarten wären. Sonst gilt: Fussgänger sind gegenüber Autos und Velos vortrittsberechtigt.
Nach der Machbarkeitsstudie ist das Projekt auch bereits in Grundzügen entworfen worden: Der mittlere Fussgängerstreifen soll aufgehoben und die neue Begegnungszone mit baulichen Massnahmen und Signalisationen markiert werden. Die Tramhaltestelle würde etwas Richtung Volkshaus verschoben, um die Haltekanten behindertengerecht umbauen zu können. Die Kosten dürften sich auf 1,1 Millionen Franken belaufen (inklusive Reserven). Patrick Hadi Huber ist sehr zufrieden mit der Antwort des Stadtrats: «Ich freue mich sehr über den Bericht und bin überrascht, dass das Projekt schon so weit fortgeschritten ist.»
Allerdings hat es einen guten Grund, dass im obigen Abschnitt sehr oft «soll» und «würde» verwendet wird: Das Projekt kann nämlich nur dann realisiert werden, wenn die Stauffacherstrasse, die heute als regionale Verbindung eingestuft ist, abklassiert wird. Geplant ist dies – nämlich in der momentan laufenden Revision des regionalen Richtplans. Das Geschäft liegt immer noch bei der Kommission des Gemeinderats, die auch die neue Bau- und Zonenordnung berät. Im Frühjahr wird dann der Gemeinderat darüber debattieren. Und ganz zum Schluss wird noch der Regierungsrat den neuen Richtplan genehmigen müssen – was vermutlich die höchste Hürde für das Projekt ist. Der Stadtrat betont denn auch, dass seine Pläne «unter dem Vorbehalt der Abklassierung» zu verstehen seien.
Der Platz wird zur Gartenbeiz
Es gibt einige weitere Projekte, die das Gesicht des Helvetiaplatzes zusätzlich verändern könnten. Zum Teil stecken sie aber seit Jahren fest: Zum einen ist etwa geplant, die Langstrasse von der Militär- bis zur Stauffacherstrasse tagsüber zur Fussgängerzone zu machen. Zum andern soll das Parkhaus Helvetiaplatz öffentlich werden – was es erlauben würde, einige oberirdische Parkplätze abzubauen. Ein «genehmigungsfähiges Projekt» für die Fussgängerzone Langstrasse gibt es laut dem Stadtrat noch nicht, das Parkhaus wird voraussichtlich ab 2018 geöffnet. Einen Einfluss hat indirekt auch die Sanierung des Betongebäudes, das als Amtshaus genutzt wird und den Platz dominiert. Nach dem Umbau wird im Erdgeschoss ein Restaurant eingebaut. Zusätzlich entsteht in der ehemaligen Volksbank-Filiale ein Café mit einem grossen Boulevardbereich. Patrick Hadi Huber begrüsst die Belebung des Helvetiaplatzes durch die neuen Restaurants. Für ihn ist aber wichtig, dass der Markt und auch Kundgebungen weiterhin möglich sind.