Münchner Massnahmen haben in Zürich keine Chance
«Haarsträubend» und «unglaublich»: Dass die Stadt München Hauseigentümern untersagt, Luxussanierungen durchzuführen, stösst in Zürich selbst bei linken Politikern auf Widerstand.
«Das ist ja haarsträubend», kommentiert der SVP-Gemeinderat und Immobilienexperte Urs Fehr die Münchner Bemühungen, die explodierenden Preise auf dem Immobilienmarkt zu dämpfen. Die Stadt verbietet beispielsweise Hausbesitzern in besonders betroffenen Gebieten, Luxussanierungen durchzuführen. «Wenn der Markt nach einem gehobenen Wohnungsstandard verlangt, dann soll auch so gebaut werden.»
«Undenkbar!», ruft aber auch Jacqueline Badran aus, in der Schweiz fänden solche staatlichen Eingriffe nie eine Mehrheit. Den Eigentümern vorzuschreiben, wie sie ihre Liegenschaften zu sanieren und verkaufen hätten, sei ohnehin der falsche Ansatz: «Staatliche Eingriffe sind immer nur die zweitbeste Lösung. Sinnvoller wäre es, wenn die Liegenschaftseigentümer freiwillig auf Wucherpreise verzichten würden, wie dies Genossenschaften tun.»
Eigentümer sollen selber entscheiden
Dem stimmt auch der grünliberale Gemeinderat Gian von Planta zu: «Wir leben in einem freien Marktsystem, jeder darf sein Eigentum verkaufen, an wen er will.» Urs Fehr pflichtet bei: «Ich lehne solche Staatseingriffe rigoros ab. Es muss doch in der Entscheidungsmacht des Eigentümers liegen, was er mit seinem Besitz macht. Persönlich würde ich aber ein Miethaus ohnehin nicht in Eigentumswohnungen umwandeln, das würde das Innenleben des Hauses zerstören.»
Badran hält auch vom Verkauf städtischer Flächen an gemeinnützige Wohnprojekte nichts: «Städtischer Boden darf in Zürich nicht verkauft, sondern gewinnbringend verpachtet werden.» Wenn Zürich das Baurecht seiner Grundstücke abgebe, so Gian von Planta, mache es hingegen durchaus Sinn, solche Konzepte zu berücksichtigen, «es dürfen aber nicht ausschliesslich Genossenschaftswohnungen gebaut werden».
Dass der Stadt durch ein Vorkaufsrecht Privilegien beim Kauf von Grundstücken eingeräumt werden, findet Badran jedoch richtig: «Boden ist ein Volksgut, schliesslich können die Leute nicht nirgends wohnen. Deshalb sollte sich die Stadt so viel Fläche wie möglich aneignen und diese an Genossenschaften vermieten, die die Fläche im Sinne der Stadt bewirtschaften. So muss die Bevölkerung keine Wuchermieten finanzieren, und die Gewinne durch Bodenwertsteigerung blieben erst noch im Volksvermögen. Die Initiative für mehr bezahlbare Wohnungen, über die am 27. November abgestimmt wird, nimmt genau dies auf.»
Besitz von Zweitwohnungen eindämmen
Als eine der Ursachen der Seefeldisierung sieht Gian von Planta die Nutzung von Zweitwohnungen: «Diese stehen oft entweder lange Zeit leer oder werden als eigentlicher Hauptwohnsitz genutzt, ohne dass die Steuern in Zürich bezahlt werden.» Einen möglichen Lösungsansatz sieht der Grünliberale in der Steuerprogression: «Wenn die Wohnungen beispielsweise im Seefeld für mittlere Einkommensschichten zu teuer werden, würde mit dem Hebel der Steuerprogression das Quartier für Einkommensstarke weniger attraktiv, und die Nachfrage nach Luxuswohnungen sinkt.» Allerdings, räumt der Politiker ein, lasse das Steuersystem eine quartierspezifische Besteuerung noch nicht zu.
In Zürich zu wohnen, sei kein Menschenrecht, sondern ein Privileg, sagt Urs Fehr. Um dem Wohnungsmangel trotzdem entgegenzuwirken, schlägt der SVP-Gemeinderat vor, die strikten Bauauflagen zu lockern: «Will ein Immobilieneigentümer heute den Dachstock ausbauen, ist das mit einer ungeheuren Bürokratie verbunden, die die Sanierung zusätzlich verteuert.» Würde verdichtetes Bauen erleichtert, entstünden auch vermehrt günstigere Wohnungen, ist Urs Fehr überzeugt.
Was München gegen die Gentrifizierung unternimmt
- Erhaltungssatzungen: In Gebieten, die unter hohem Aufwertungsdruck stehen, ist es Hauseigentümern verboten, Luxussanierungen durchzuführen und die Wohnungen anschliessend zu horrenden Preisen zu vermieten.
- Vorkaufsrecht: In Gebieten mit hohem Aufwertungsdruck muss ein Grundstück an die Stadt verkauft werden, wenn diese den Verkehrswert bezahlt. Private Interessenten dürfen die Grundstücke nur dann erwerben, wenn sie sich an die Vorgaben der Stadt halten.
- Umwandlungsverbot: Liegenschaften, die Mietwohnungen anbieten, dürfen nicht luxussaniert und anschliessend als Eigentumswohnungen verkauft werden.
- Konzeptausschreibungen: Die Stadt verkauft ihre Grundstücke nicht an den Meistbietenden, sondern bevorzugt Konzeptideen, die energetische Richtlinien und soziale Wohnprojekte innovativ umsetzen.