Jetzt ist es Zeit für Geisterspiele»
Von Martin Huber und Daniel Schneebeli. Aktualisiert am 03.10.2011
Nach den Fackelwürfen und Ausschreitungen beim 226. Zürcher Fussballderby fordern Politiker, dass die Polizei künftig in Stadien Vermummte «rigoros herausnimmt». Zudem sollten Klubs und Verband kooperativer werden.
Nahmen nach dem Derby Stellung: Zürcher Politiker Gian von Planta (glp), Alfred Heer (SVP), Esther Guyer (Grüne) und Sportminister Gerold Lauber (CVP).
Der Stadtzürcher Sportminister Gerold Lauber (CVP, nicht am Match) reagierte mit völligem Unverständnis auf die Fankrawalle und sprach gegenüber dem TA von «Idioten». «Sie machen sich mit solchen Aktionen selber alles kaputt und verspielen den Goodwill in der Bevölkerung», sagte Lauber auch mit Blick auf den geplanten Stadionneubau.
Marc Caprez, Sprecher des städtischen Sportamtes, das den Letzigrund vermietet und betreibt, war am Match: «Das Sicherheitskonzept ist von der Liga abgenommen. Es kann nicht sein, dass wir das Stadion jedes Mal in einen Hochsicherheitstrakt verwandeln und für jeden Fan zwei Sicherheitsleute bereitstellen müssen.»
Alfred Heer, SVP-Präsident (FCZ-Fan, nicht am Match): «Jetzt ist es Zeit für Geisterspiele. Es ist die Höchststrafe für die Klubs, wenn sie an den Spieltagen keine Einnahmen haben. Und im Stadion braucht es gute Videokameras, damit man die Gewalttäter finden kann. Die Sicherheitskräfte müssen Vermummte rigoros herausnehmen. Es ist dummes Zeug, wenn sie davon reden, das sei unverhältnismässig. Wir haben ein Vermummungsverbot. Ich glaube auch, dass die Polizei ins Stadion gehört. Das ist kein rechtsfreier Raum.»
Martin Naef, SP-Kantonsrat (FCZ-Fan, nicht am Match): «Solche Leute sind die Totengräber des Fussballs. Die Klubs und vor allem der Fussballverband müssten endlich kooperativer werden. In englischen Stadien geht es heute auch ohne Gewalt, warum gelingt das in Zürich nicht? Unter Umständen muss die Polizei künftig im Stadion sein. Aber wir dürfen die Verantwortung nicht einfach auf die Polizei abschieben.»
Gian von Planta, Fraktionschef der Grünliberalen im Zürcher Stadtparlament (ehemaliger GC-Junior, nicht am Match): «Unsere Familie war auf einer Wanderung. Wir hatten uns als Alternative den Besuch des Derbys überlegt. Doch das wäre eine schlechte Idee gewesen. Ich glaube, es braucht nun vor allem zwei Dinge. Erstens muss man gegen diese Leute ein Stadionverbot verhängen und durchsetzen. Zweitens muss der neue Hardturm so gebaut werden, dass die Fans nicht so leicht aufeinander losgehen können.»
Esther Guyer, Fraktionschefin der Grünen im Kantonsrat (FCZ-Fan, nicht am Match): «Ich wäre gerne zum Spiel gegangen, musste aber den ganzen Tag für die Partei arbeiten. Wenn ich jetzt höre, was im Letzigrund gelaufen ist, muss ich sagen, der Spielabbruch war das einzig Richtige.»
Krawalle könnten neues Stadion gefährden
Von Georg Gindely. Aktualisiert am 04.10.2011
Das Zürcher Stimmvolk muss noch über das 150-Millionen-Projekt entscheiden. Politiker befürchten einen Meinungsumschwung.
In diesen Tagen beginnt der Architekturwettbewerb für das neue Fussballstadion im Hardturm. Was schon jetzt bekannt ist: Der Bau wird teuer. Er kostet die Stadtzürcher Steuerzahler 150 Millionen Franken. Und der Stadtrat rechnet damit, dass er pro Jahr ein Defizit von 5 bis 7 Millionen Franken decken muss, wenn das Stadion in Betrieb ist.
Die Krawalle vom Sonntag kommen für das Grossprojekt zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. Denn ihm stehen noch hohe Hürden bevor: Das Stadtparlament muss ihm ebenso zustimmen wie das Volk. CVP-Fraktionspräsident Christian Traber ist sich nicht sicher, ob im Moment eine Mehrheit der Bevölkerung Ja zum neuen Hardturm sagen würde: «Die Leute haben genug von den Chaoten in den Stadien.» In der politischen Diskussion müsse nun viel Überzeugungsarbeit geleistet werden: «Wir müssen die Pläne bis ins Detail anschauen und prüfen.»
Stadtrat hält an Plänen fest
Zum Beispiel die Änderungen, die der Stadtrat im Juli bekannt gegeben hat: Um Clubs und Fans entgegenzukommen, beschloss er, eine Südkurve und Stehplätze einzurichten. Das kostet 15 Millionen mehr als das ursprüngliche Projekt – und ist weniger sicher. In der Folge kritisierte Polizeikommandant Philipp Hotzenköcherle die neuen Pläne im TA: Wegen der FCZ-Kurve im Süden steige die Gefahr, dass Heim- und Gästefans auf der Pfingstweidstrasse aneinandergerieten. Und auch die Stehplätze führten zu mehr Risiken, weil die Situation dort nicht überschaubar sei.
Der Stadtrat hält dennoch an seinen Plänen fest – auch nach den Krawallen vom Sonntag. «Es ist wichtig, dass wir bei der Planung des Stadions die Wünsche der Benutzer ernst nehmen», sagt Stadtrat Gerold Lauber (CVP). Sonst sei am Schluss niemand zufrieden. Der Sportvorsteher betont, dass man die Hooligan-Problematik im Schweizer Fussball bis 2017 im Griff haben müsse. Dann soll das erste Spiel im neuen Hardturm angepfiffen werden.
In den Fraktionen des Gemeinderats zeichnet sich bis jetzt kein Stimmungswandel ab. «Die Fans müssen aber extrem aufpassen, dass die Stimmung nicht kippt», sagt Mauro Tuena von der SVP. Man müsse jetzt mit den Clubverantwortlichen zusammensitzen und Massnahmen erarbeiten, damit sich die «unsäglichen Vorkommnisse vom Sonntag» nicht wiederholen.
«Neues Stadion wird gebaut»
Gemeinderat Alecs Recher von der AL glaubt nicht, dass das Stadion wegen der Krawalle vom Sonntag scheitern wird. «Dafür sind GC und FCZ in Zürich zu gut verankert.» Der GLP-Politiker Gian von Planta ist überzeugt davon, dass Parlament und Volk Ja zum neuen Stadion sagen – und zwar zur Variante mit Stehplätzen. «Das ist wichtig für die Fussballfans.»
Laut Urs Egger von der FDP kann man den Letzigrund und den neuen Hardturm bezüglich Sicherheit nicht miteinander vergleichen. «Im neuen Stadion können die Verantwortlichen viel bessere Kontrollen durchführen als im offenen Letzigrund, in den Gewalttäter ohne grosse Probleme Pyros und Stangen schmuggeln können.»
Das neue Stadion werde gebaut werden, sagt Markus Knauss, Fraktionspräsident der Grünen. «Ein paar pubertierende Buben können das Vorhaben nicht zu Fall bringen», sagt Knauss, der am Sonntag im Stadion war. Min Li Marti von der SP macht ebenfalls keinen Stimmungswandel aus. «Es braucht aber grosse Anstrengungen aller Beteiligten, damit das neue Stadion Realität wird.»