Warum diesmal alles anders läuft
Eishockey ist nicht Fussball. ZSC nicht FCZ oder GC. Ein Blick zurück – und vorwärts.
101 zu 15 Stimmen: So klar fiel am 10. April 2013 der Entscheid zugunsten des neuen Fussballstadions auf dem Hardturmareal. Die überwältigende Mehrheit des Gemeinderats war bereit, für die neue Heimarena des Grasshopper Clubs und des FC Zürich 216 Millionen Franken auszugeben und 8,3 Millionen pro Jahr in den Betrieb des Stadions zu stecken. Die Begeisterung des Parlaments übertrug sich aber nicht aufs Stimmvolk. Dieses lehnte das Stadionprojekt fünf Monate später mit 50,8 Prozent ab.
Was war dazwischen geschehen? Anfänglich kritisierte nur GLP-Fraktionschef Gian von Planta das Bauvorhaben, seine Fraktion war noch unentschieden. Ansonsten wollte sich niemand als Speerspitze gegen den populären Fussball die Finger verbrennen, ein Gegenkomitee lag noch in weiter Ferne. Dann fand von Planta Alliierte. Als erste exponierten sich die Jungfreisinnigen mit ihrer Nein-Parole. Gleichzeitig sickerte durch, dass sich die im Parlament einstimmige FDP-Fraktion keineswegs einig war. Das Ja war nach einem fraktionsinternen 7:5 zustande gekommen – wobei Stadiongegner an der Sitzung gefehlt hatten. Prompt kippte die Stimmung. Die FDP-Delegierten sagten Nein – zum Ärger von Nationalrat Ruedi Noser, der die Partei «provinziell» schimpfte. GLP, EVP und SD folgten mit derselben Empfehlung, die Grünen entschieden sich für Stimmfreigabe. Vielleicht noch wichtiger war, dass sich der städtische Polizeibeamtenverband (PBV) gegen das Stadion aussprach. Auch sagte man der FCZ-Südkurve nach, gegen den Auszug aus ihrer Heimat Letzigrund zu weibeln.
ZSC-Fanszene: 100 Prozent Ja
Droht nach dem klaren Ja des Gemeinderats zum neuen Eishockeystadion dasselbe Szenario? Kaum. Die Fans haben sich trotz Auszug aus Oerlikon nicht negativ verlauten lassen. Das ZSC-Fanprojekt «Dritte Rang Zürich» lässt gegenüber dem Tagesanzeiger.ch/Newsnet verlauten: «Die Fanszene sowie das Fanprojekt stehen zu 100 Prozent hinter dem Umzug ins eigene Stadion!» Auch die Polizisten stellen sich nicht quer. Laut PBV-Präsident Werner Karlen ist das Stadion «kein Thema». Heisst: Aus Sicherheitsgründen spricht nichts dagegen.
Vom Freisinn droht den Stadionpromotoren diesmal ebenfalls kein Ungemach. Das Eishockeystadion finde innerhalb der Partei viel mehr Rückhalt, als es das Fussballstadion tat, sagt FDP-Fraktionschef Michael Schmid. «Es ist ein rundum gelungenes Projekt. Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass die Partei kippt.» Dem Fussballstadion habe die FDP im Gemeinderat vor allem deshalb zugestimmt, damit das Volk danach entscheiden konnte. «Aber wirklich begeistert waren die wenigsten», sagt Schmid. «Diesmal gehen wir voll motiviert in den Abstimmungskampf.»
Auch die Grünliberalen sind gemäss Fraktionschefin Isabel Garcia dieses Mal hochzufrieden. Deren Parteibasis hat denn auch bereits «mit grosser Mehrheit» die Ja-Parole beschlossen.
Der Kreis 9 schert aus
Die SP hatte die Fussballvorlage unterstützt und befürwortet auch das Eishockeystadion, wobei die Sektion Kreis 9 ausschert. Dass nicht mehr die Stadt baut, sondern Private, schmerzt Fraktionschef Davy Graf nicht. «Nach der gescheiterten Abstimmung zum Fussballstadion musste man die Lehren ziehen.» Für die SP-Fraktion habe beim aktuellen Geschäft das Vertrauen in die Investoren und die Nachhaltigkeit eine grosse Rolle gespielt. So sei die namhafte Beteiligung der privaten Seite, die im Vergleich zum Fussball bessere Fanarbeit und sportliche Kontinuität sowie die breite Nachwuchsförderung der ZSC Lions positiv aufgefallen. Dabei habe «zu keinem Zeitpunkt» eine Rolle gespielt, dass mit Walter Frey und Peter Spuhler zwei SVP-Granden beim Verein die Fäden ziehen. Graf gibt sich zuversichtlich, dass nach der Fraktion auch die Parteidelegierten zustimmen werden. Ob der lokale Widerstand und die SVP-Verbindung doch noch zu reden geben werden, ist offen.
Die angesprochene SVP steht laut Parteipräsident Roger Liebi voll hinter dem Hockeystadion. Dass der ZSC zwei SVP-Mitgliedern gehört, spiele dabei keine Rolle. Die SVP unterstütze alle Sportprojekte, so Liebi. Es sei schwer vorstellbar, dass die Delegierten anders entscheiden.
Nur ein klarer Gegner
Selbst die stadionkritischen Parteien agieren nicht einheitlich. Die grüne Fraktion stimmte gestern mehrheitlich gegen das Stadion. Doch innerhalb der Partei gibt es prominente Befürworter, darunter Stadtrat Daniel Leupi oder Esther Guyer, Chefin der Kantonsratsfraktion und ZSC-Fan. Sie werde vor den Delegierten sicher für ein Ja werben, sagt Guyer. Karin Rykart, Fraktionschefin im Gemeinderat, sagt: «Es kann gut sein, dass wir Stimmfreigabe beschliessen – wie beim Fussballstadion.»
Eindeutige Opposition kommt von der AL. Sie stimmte gestern als einzige Partei geschlossen gegen das Stadionprojekt in Altstetten. Auch hier wird vor der Volksabstimmung noch die Vollversammlung entscheiden. «Ich kann mir aber kaum vorstellen, dass sie den Fraktionsentscheid umstösst», sagt Fraktionschef Andreas Kirstein.