Ortsbürger abschaffen? – AZ
Ortsbürger abschaffen? Der Stadtrat hat dazu eine klare Meinung
Gian von Planta von den Grünliberalen will die Ortsbürgergemeinde auflösen. Sie führe in Baden zu einer Zweiklassengesellschaft. Nun äussert sich die Badener Regierung zur Frage.
Die Ortsbürger in Baden spüren seit einigen Monaten Gegenwind. Im Herbst wurde Kritik an der Liegenschaftspolitik laut: Sie würde auf ihrem Boden Wohnungen im Luxussegment erstellen, statt den sozialen Wohnungsbau zu fördern, kritisierte der ehemalige SP-Grossrat Jürg Caflisch. Es stelle sich grundsätzlich die Frage, ob Ortsbürgergemeinden noch zeitgemäss seien. «Mit einer solchen Liegenschaftspolitik sicher nicht», so Caflisch.
Gegen diese Vorwürfe wehren sich die Ortsbürger: Die Ortsbürgergemeinde betreibe seit vielen Jahrzehnten eine ausgewogene Baulandpolitik und bemühe sich, ihr Handeln an den Interessen der gesamten Bevölkerung auszurichten und Partikularinteressen nicht zu begünstigen.
Doch neben Caflisch gibt es weitere Politiker, welche die Existenzberechtigung der Ortsbürger infrage stellen. Gian von Planta von den Grünliberalen fordert offiziell die Abschaffung der Ortsbürgergemeindeversammlung beziehungsweise deren Fusion mit der Einwohnergemeindeversammlung. Hierfür reichte er eine Anfrage beim Stadtrat ein. Seine Argumentation: In Baden gebe es verschiedene Klassen von Einwohnerinnen und Einwohnern. Je nachdem, welcher Klasse man angehöre, habe man mehr Rechte.
Zu den Privilegierten gehöre, wer an der Ortsbürgergemeindeversammlung teilnehmen dürfe. Diese Personen könnten entscheiden, wie das Geld aus dem Ortsbürgervermögen genutzt werden soll. Dabei handle es sich um Vermögen, welches notabene ursprünglich allen Einwohnern von Baden gehört habe.
Die meisten Kantone würden den Unterschied zwischen Ortsbürgergemeinde und Einwohnergemeinde nicht mehr kennen. Eine breite demokratische Legitimierung fehlt komplett, regelmässig nähmen weniger als 10 Prozent der Ortsbürgerinnen und Ortsbürger an den Versammlungen teil, so von Planta.
An der Ortsbürgergemeindeversammlung darf teilnehmen, wer im Besitz des Badener Ortsbürgerrechts ist, hier wohnt und stimmberechtigt ist. Rund 750 Personen besitzen momentan das Ortsbürgerrecht, davon sind rund 640 stimmberechtigt.
Die Ortsbürgergemeinde ist Eigentümerin von rund 60 Prozent des Stadtgebiets, ihr gehören 99 Prozent des Badener Waldes, und sie besitzt unter anderem Anteile an den Thermalwasserquellen «Limmatquelle» und «Heisser Stein». Man helfe mit, Lasten zu tragen, welche die Stadt Baden selber nicht tragen könne oder dürfe, schreiben die Ortsbürger über sich. Die Ausgangslage sei vielleicht ein wenig vergleichbar mit dem Lotteriefonds des Regierungsrates, heisst es auf der Website weiter.
Unter anderem aus diesem Grund will der Stadtrat an der Ortsbürgergemeinde festhalten, wie er in seiner Antwort auf die Anfrage von Gian von Planta schreibt. Sie habe den Bau des «Heissen Brunnens» finanziert, einen finanziellen Beitrag an die Sanierung des Pfadiheims Rütibuck geleistet und während der Pilotphase Beiträge ans Altersnetzwerk entrichtet. Ausserdem übernahmen die Ortsbürger die Chrättli-Parzelle im Baurecht, wodurch die Zukunft des Quartlierladens gesichert ist.
Hinzu kommt: «Die Badener Ortsbürgergemeinde steht – im Gegensatz zu vielen anderen Ortsbürgergemeinden – finanziell auf soliden Beinen und hat nicht mit Mitgliederschwund zu kämpfen.» Solange das so sei, dürften es Bestrebungen, die Ortsbürgergemeinde mit der Einwohnergemeinde zu fusionieren, zumindest auf Seite der Ortsbürgergemeinde schwer haben, ist der Stadtrat überzeugt.
Von fehlender Legitimation kann nach Meinung des Stadtrats nicht gesprochen werden. An den Ortsbürgergemeindeversammlungen, die jeweils zweimal pro Jahr stattfinden, würden durchschnittlich rund 70 Personen teilnehmen. Das seien rund 11 Prozent der in Baden lebenden rund 630 stimmberechtigten Ortsbürgerinnen und Ortsbürger.
Und der Stadtrat erwähnt, dass praktisch jeder Entscheid der Ortsbürgergemeindeversammlung zu Sachgeschäften dem fakultativen Referendum unterliegt, weil das Quorum von 20 Prozent so gut wie nie erreicht wird. Die beschliessende Mehrheit an einer Gemeindeversammlung entscheidet also fast nie endgültig.
Mit der Antwort des Stadtrats ist das letzte Wort zur Zukunft der Ortsbürger noch nicht gesprochen. An der nächsten Einwohnerratssitzung Ende Mai wird das Stadtparlament über von Plantas Vorstoss diskutieren.
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