Werden E-Autos ausgebremst? Es braucht ein Recht auf Laden – AZ

Elektroautos im Aargau: Die Zahl der öffentlichen Ladestationen wächst rasant – hier gibts die Übersicht

Wegen Zweifel zum Laden zögern viele Menschen in der Schweiz, ein Elektroauto zu kaufen. Doch Ladesäulen auf Parkplätzen oder in Einkaufszentren gibt es im Aargau mehr als genug, wie eine Auswertung zeigt. Wichtig wäre ein leichterer Zugang zu Heimladestationen.

Elektroautos werden im Aargau immer beliebter: 23 von 100 neu zugelassenen Autos im vergangenen Jahr fahren mit Strom, wie Zahlen des Bundesamtes für Statistik zeigen. Vor drei Jahren lag der Anteil der Elektroautos unter den Neuzulassungen noch bei 13 Prozent.

Dennoch entscheidet sich die grosse Mehrheit beim Kauf eines Autos immer noch für einen Verbrenner. Dies oft wegen Sorgen zum Laden des Elektroautos. Zu diesem Schluss kommt eine schweizweite Umfrage des TCS aus dem Jahr 2023. Rund ein Drittel der Befragten gab darin an, dass sie wegen «fehlender oder zu wenigen Lademöglichkeiten» kein Elektroauto kaufen würden. Doch sind die Bedenken im Aargau berechtigt?

Aargau hat überdurchschnittlich viele Ladestationen

Verlässliche Daten zu Lademöglichkeiten für Elektroautos liegen nur für öffentlich zugängliche Ladestationen vor. Im Aargau gibt es derzeit 962 solche. Auf 100 Quadratkilometer Fläche kommen somit 66 Ladestationen – doppelt so viele wie im Schweizer Durchschnitt.

Dichte der öffentlichen Ladestationen im Aargau liegt über Schweizer Schnitt

Tabelle mit 3 Spalten und 27 Zeilen. Derzeit werden die Zeilen 1 bis 12 . Absteigend sortiert nach Spalte „Anzahl Ladestationen pro 100 km²“
Basel-Stadt
731
270
Genève
261
738
Zug
153
366
Zürich
101
1’751
Basel-Landschaft
72
371
Aargau
66
932
Luzern
48
721
Schaffhausen
45
133
St. Gallen
43
874
Solothurn
40
319
Vaud
35
1’109
Schweiz
31
12’824
Der Ausbau des öffentlichen Ladenetzes geht schnell voran. Allein im vergangenen Jahr wurden im Aargau fast 250 neue Ladestationen gebaut. In den Nachbarkantonen Zürich und Bern ist das Ausbautempo ähnlich hoch. In Solothurn hingegen stagnierte die Zahl der Ladestationen zuletzt.

Ausbau des Ladenetzes geht bei den Nachbarn schneller voran

Anders im Aargau: Hier gibt es keine Strategie, wie die öffentliche Ladeinfrastruktur in Zukunft aussehen soll. «Der Aufbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur soll den Marktakteuren überlassen werden», heisst es auf Anfrage beim Kanton. Denn viel wichtiger als die öffentlichen Ladestationen seien die privaten. 80 bis 90 Prozent aller Ladevorgänge erfolgten zuhause oder am Arbeitsplatz, schrieb der Regierungsrat in einer Antwort auf einen Vorstoss zur Elektromobilität Ende 2022.

Keine Daten zu privaten Ladestationen

Wie viele private Ladestationen es im Aargau gibt, ist nicht bekannt. Eigentlich müssten neue Ladestationen dem lokalen Elektrizitätswerk gemeldet werden. In der Praxis tun dies aber nur wenige. Zudem werden die Daten nicht in einem zentralen Register gesammelt.

Für eine grobe Abschätzung hatte der Kanton Ende 2020 bei den drei grössten Stromversorgern – AEW, Eniwa und Regionalwerke – die Anzahl gemeldeter privater Ladestationen erfragt. Ausgehend von damals rund 4000 immatrikulierten Elektrofahrzeugen im Aargau gab es mindestens für jedes siebte Elektroauto eine private Ladestation.

Mittlerweile sind bei den drei grössten Stromversorgern fast 3000 private Ladestationen angemeldet – sechsmal mehr als noch vor dreieinhalb Jahren. Bei 13’500 Elektroautos gibt es also schätzungsweise für jedes fünfte Auto eine private Ladestation. Die Abdeckung scheint sich also verbessert zu haben.

Förderprogramm vom Regierungsrat abgelehnt

Wer zur Miete oder in einer Eigentumswohnung wohnt, hat es jedoch deutlich schwerer, eine Ladestation zu installieren als Häuserbesitzer. Hier sieht die Aargauer Politik denn auch den grössten Handlungsbedarf. Ende 2022 forderte SP-Grossrätin Gabi Lauper in einer überparteilichen Motion ein kantonales Förderprogramm für private Ladestationen in Mehrparteiengebäuden.

Der Regierungsrat anerkannte damals zwar, dass die fehlende Ladeinfrastruktur zuhause ein «relevantes Hemmnis» für den Umstieg auf ein Elektroauto darstelle. Er lehnte das Anliegen jedoch ab, mit der Begründung, die Verwaltung erarbeite zahlreiche Massnahmen. Der Vorstoss wurde letztlich als unverbindliches Postulat überwiesen.

GLP fordert «Recht auf Laden»

Was ist seither passiert? Auch in Reaktion auf den Vorstoss von Lauper hat die Verwaltung ein Förderprogramm für Mehrparteiengebäude erarbeitet, heisst es auf Anfrage beim Kanton. Dieses sei jedoch im vergangenen Jahr «auch aufgrund des Spardrucks» abgelehnt worden.

Es gibt aber auch Stimmen, die den Nutzen von Subventionen für einen schnelleren Umstieg auf Elektromobilität infrage stellen. Einer von ihnen ist GLP-Grossrat Gian von Planta. «Subventionen bevorteilen eine spezifische Gruppe zulasten aller Steuerzahlenden», sagt er. Viel wichtiger sei es, dass Mieterinnen und Mieter das Recht erhalten würden, selbstständig eine Ladestation zu errichten.

Da jedoch bei der Mobilität der Bund federführend ist, braucht es dafür eine Gesetzesänderung auf nationaler Ebene. Das «Recht auf Laden», wie es Deutschland schon seit 2020 kennt, sei dringend nötig, um die grosse Masse zu erreichen. «Jene, die einfach auf ein Elektroauto umstellen können, haben es wohl schon getan.»

Kanton setzt auf mehr Aufklärung zu E-Autos

Auch Swiss eMobility sieht im erleichterten Einbau von privaten Ladestationen die wichtigste Voraussetzung für einen raschen Umstieg auf Elektroautos. Verbandspräsident und GLP-Ständerat Jürg Grossen hatte eine solche Gesetzesänderung bereits 2021 mit einer Motion gefordert. Diese verjährte, vor einem halben Jahr hat er das Anliegen erneut eingereicht.

Der Aargau setzt derweil vor allem auf Aufklärung und Beratung. Marc Zurfluh, Fachexperte in der Abteilung Energie, sagt, es gebe noch viel falsches Wissen über Elektroautos – beispielsweise zur Reichweite oder zum ökologischen Vorteil gegenüber Verbrennern. Auch deshalb erwägt der Kanton, eine Website mit Informationen zur Elektromobilität für Privatpersonen aufzuschalten.
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