Wie weiter mit der Axpo – Tages Anzeiger
Wie weiter nach dem Axpo-Nein?
Schaffhauser Abstimmung Die Angst vor der Privatisierung des Stmilwnzerns sorgt für den Rückschlag heim Axpo-Vertrag. Eine Überarbeitung des Regelwerks birgt Chancen — auch für Atomfreunde. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Stefan Häne
Es ist eine schmerzhafte Niederlage für die Axpo. Ihre Eignerkantone hatten ihre Zustimmung zum neuen Regelwerk für den grössten Stromkonzern der Schweiz bereits gegeben – bis auf Schaffhausen. Überraschend haben am Sonntag dessen Stimmberechtigte den Vertrag mit 53,4 Prozent versenkt. Ein linle-grün dominiertes Komitee hatte das Referendum ergriffen – und damit die erste kantonale Vollsabstimmung zum Thema provoziert. Damit gilt weiterhin der Gründungsvertrag von 1914.
- Was war beim Axpo-Vertrag umstritten?
Der Gründungsvertrag schliesst den Aktienv–erkauf an Dritte aus. Der neue Vertrag sah dies fürweitere ffinf Jahre vor. Danach hätten sich die Eigentümer auf eine Mindestbeteiligung von 51 Prozent verpflichtet, sie hätten also bis zu
49 Prozent der Aktien verkaufen können, wobei die Eignerkantone und ihre Elektrizitätswerke ein Vorkaufsrecht erhalten hätten. Die Gegner warnten, ein Verkauf an Dritte lenke Gewinne in private Taschen und schwäche die demokratische Kontrolle über die eigene Energieversorgung.
- Gabs weitere Befürchtungen?
Ja Der neue vertrag hätte für acht Jahre gegolten. Danach hätten die Eigentümer die Verpflichtung zur Mindestbeteiligung justieren oder abschaffen können. Dazu hätten sie eine Mehrheit der –Aktienanteile, also ein Quorum von über
50 Prozent, und die Zustimmung von fünf Vertragsparteien benötigt. Dass diese Bedingungen erfüllt würden, taxierte die Schaffhauser Regierung als «unrealistisch». Die Gegner wollten dieses Risiko keinesfalls eingehen, nur ein Nein zum neuen Vertrag verhindere die zukünftige Privatisierung der Axpo. Der Konzern müsse in öffentlicher Hand bleiben, nicht zuletzt um die Sicherheit der Stromversorgung weiterhin gewährleisten zu können und die Strompreise lange tief zu halten.
— Welche Folgen hat das Nein für die Axpo?
Für die operative Geschäftstätigkeit keine unmittelbaren. Dem Konzern fehlt nun aber weiterhin ein modernes juristisches Fundament. Die Eignerkantone werden in den nächsten Wochen das weitere Vorgehen besprechen. Inwieweit die Option einer – teilweisen – Privatisierung Teil eines neuen Vertrags bleibt, wird sich weisen.
— Warum ist diese Option für die Axpo wichtig?
Können sich zusätzliche – private – Aktionäre in die Axpo einkaufen, kommt der Konzern zu mehr Geld, das er für den teuren Umbau der Energiewelt verwenden könnte, etwa für Investitionen in neue Wind- oder Solarparks. Inwieweit die Kantone bereit sind, die Axpo mit mehr Eigenkapital auszustatten, ist offen. Zudem könnten private Aktionäre im Notfall schneller zusätzliches Kapital einbringen, als die Kantone mit ihren oft langwierigen parlamentarischen Prozessen dazu in der Lage sind. Zu Erinnerung: Im Herbst 2022 musste der Bund in einer Feuerwehrübung der Axpo einen Rettungsschirm mit einem Kreditrahmen von 4 Milliarden Franken gewähren. Grund waren die Turbulenzen an den internationalen Strommärkten, welche die Liquidität des Konzerns gefährdeten. Das Geld benötigte der Stromkonzern in der Folge nicht.
- Wie reagiert die Axpoauf das Nein?
Der Konzern schrieb, er nehme den Entscheid der Stimmbevölkerung «mit Bedauern zur Kenntnis». Der Schaffhauser Baudirektor Martin Kessler (FDP) bedauert das Volksverdikt ebenfalls. Das Referendumskomitee habe viele Ängste geschürt. «Man hat dem Stimmvolk gesagt, dass die Axpo Kraftwerke verkaufen und die Versorgungssicherheit gefährden wolle.»
- ist ein neuer Vertrag auch eine Chance?
Die Abstimmungsgewinner wollen jedwede Privatisierungsoptionen vom Tisch haben. Sie machen nun Druck – und erhalten prominente Unterstützung. Mitte-Präsident Gerhard Pfister schreibt auf X: «Dass der Verkauf von Axpo-Anteilen an ausländische Unternehmen nicht explizit ausgeschlossen wurde, war ein Fehler.» FDP-Präsident Thierry Burkart findet es «naheliegend», die umstrittene Bestimmung zu korrigieren. Eine Chance könnte ein neuer Vertrag auch für die Atombefürworter sein. Das nun abgelehnte Regelwerk entstand nicht zuletzt unter dem Eindruck der Energiestrategie 2050, die die damalige Bundesrätin Doris Leuthard nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima ab 2011 vorangetrieben hatte. Es enthält auch einen Passus zu den Kernkraftwerken, deren Neubau das Stimmvolk 2017 untersagt hat.
Was bedeutet der AKW-Passus im Vertrag?
Die Axpo muss auf «zusätzliche Beteiligungen im Bereich der Kernenergieproduktion verzichten». Was diese Vorgabe im Detail bedeutet hätte, Ist vor der Abstimmung öffentlich kaum diskutiert worden. Was etwa wäre, wenn die Axpo ein neues Kernkraftwerk auf dem Gelände von Beznau bauen würde? Gänzlich unrealistisch sind solche Szenarien nicht mehr. Denn inzwischen ist das AKW-Neubau-verbot politisch unter Druck geraten, eine Volksinitiative will es aufheben, Energieminister Albert Rösti plant einen Gegenvorschlag.
Rainer Meier, Ex-Sprecher der Axpo, gehört zu jenen, die im Nein die Chance sehen, die Axpo-Eignerstrategle zu überdenken. «Einfach aus anderen Gründen als oberflächlichem <Ausländer Mauen unseren Strom>-Gebelle», wie er auf der Plattform X schreibt. Die Kemkraft-Klausel im Vertrag ist für Meier ein «dämlicher politischer Passus», der jetzt hinfällig sei.
- Gibt es weitere Forderungen?
Ja. Der Aargauer Kantonsparlamentarier Glan von Planta (GLP) verlangt eine neue Strategie, die eine Trennung der Axpo in zwei Teile vorsieht. Der erste Teil beinhaltete die Netze und Kraftwerke und soll nicht privatisiert werden. Anders der zweite Teil, der das internationale Handelsgeschäft umfasst – ein Geschäft, das enorme Risiken berge und der Schweizer Stromversorgung nicht diene.
— Ist die AKW-Frage wichtig? Offenbar ziemlich wichtig. Der Aargauer SVP-Nationalrat Benjamin Giezendanner fordert einen Marschhalt. Bekennt sich die Axpo nicht zu einer Strategie, die auch den Bau eines neuen KKW oder eines Reservegaskraftwerks mit einschliesst, solle sich die öffentliche Hand von diesem «Hochrisikoinvestment» verabschieden Gabriela Suter sieht das anders. Die Axpo dürfe nicht «betriebswirtschaftlich unsinnige» Investitionen in neue AKW machen, sagt die Aargauer SP-Nationalrätin. «Ich erwarte, dass die Axpo ihre Strategie gemäss Volksentscheiden ausrichtet und ihre satten Gewinne in erneuerbare Energieinfrastrukturen insbesondere im Inland investiert.»
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