Axpo Risiken wegen Boni – Tele M1

Der Energiekonzern Axpo sorgt dafür, dass der Strom fliesst. Und beim Handel von Strom fliesst offenbar auch ziemlich viel Geld in die Taschen der firmeneigenen Händler. Wie die «Aargauer Zeitung» berichtete, soll ein einzelner Angestellter satte 9 Mio. Fr. Bonus kassiert haben. Das sorgt nach dem Lohnanstieg der Axpo-Chefs für zusätzliche Kritik.

 

https://www.telem1.ch/aktuell/kritik-axpo-stromhaendler-soll-9-millionen-boni-kassiert-haben-159706299

Mehr als 50 Axpo-Angestellte mit Millionenbonus? AZ

Die hohen Bezüge der Geschäftsleitung – bei CEO Christoph Brand sind es gut 1,8 Millionen Franken – kommen bei den Axpo-Besitzerkantonen nicht gut an. So will die Aargauer Politik die Vergütungen deckeln, obwohl der Chef gar nicht am meisten verdient. Stromhändler sollen bei Axpo auf Boni von 9 Millionen Franken kommen.

Gian von Planta arbeitet seit 2002 im Energiebereich. Bis 2011 bei Alstom in Baden im Kraftwerksbau, dann beim Fachverband der Wasser-, Gas- und Wärmeversorger, von Januar 2015 bis April 2023 bei der SWL Energie AG in Lenzburg als Mitglied der Geschäftsleitung. Inzwischen ist von Planta, der für die GLP im Grossen Rat sitzt, Geschäftsführer der Firma Josef Muff AG im Rohrleitungsbau für Wasser- und Energieversorgungssysteme.

«Die Boni der Axpo schlagen gerade hohe Wellen», sagt der Grünliberale, der in der Energiebranche bestens vernetzt ist. Beim grössten Schweizer Stromkonzern, der zu 28 Prozent im Besitz des Kantons Aargau ist, hat CEO Christoph Brand im letzten Geschäftsjahr eine Vergütung von über 1,8 Millionen Franken erhalten. 650’000 Franken davon fallen in die Kategorie «variable Gehälter», sind also Boni.

GLP-Grossrat kritisiert Risiken für Steuerzahler

Es lasse sich darüber streiten, ob diese Saläre für die Geschäftsleitung einer internationalen Grossfirma angemessen seien, sagt von Planta. In der Aargauer Politik ist die Antwort klar: nein. Das findet die Regierung, die wenig Verständnis für die hohen Boni hat, und der Grosse Rat, wo alle Parteien einen Vorstoss für eine Deckelung der Bezüge unterstützen. Auch im Kanton Zürich, dem zweiten Grossaktionär, wird Kritik aus der Politik an den Vergütungen laut.

Doch die Topverdiener des Stromkonzerns sitzen gar nicht in der Geschäftsleitung, es sind die sogenannten Trader. «Was mich noch viel mehr stört, sind die Boni, welche im Handel bezahlt werden», sagt denn auch von Planta. Diese führten direkt dazu, dass hohe Risiken eingegangen würden. «Risiken, die nicht der Händler, sondern der Steuerzahler trägt», weil die Axpo im Besitz der Kantone ist, wie der Grünliberale erklärt.

Kürzlich befasste sich der Finanzblog «Inside Paradeplatz» mit dem Thema und schrieb: «Die obersten Traderchefs der Axpo sollen im abgelaufenen Geschäftsjahr 2023–2024 laut einem Insider 3 bis 5 Millionen verdient haben.» Ein Sprecher des Konzerns sagte gegenüber dem Portal: «Diese Spekulationen können wir nicht bestätigen.» Er hielt weiter fest, die Vergütungen an Mitarbeitende seien marktkonform und branchenüblich, was regelmässig durch interne und externe Prozesse überprüft werde.

Mehr als 50 Axpo-Angestellte mit Millionenbonus?

Zu weiteren Details der Arbeitsverträge und Lohnzahlungen einzelner Mitarbeitenden dürfe die Axpo aus Gründen des Persönlichkeitsrechtes und Persönlichkeitsschutzes keine Auskunft geben. Gian von Planta sagt derweil: «Vereinzelte Boni betrugen bis zu 9 Millionen pro Person.» Er geht davon aus, dass im Geschäftsjahr 2023 über 50 Angestellte der Axpo, meist ohne Führungsfunktion, über 1 Million an Boni erhalten haben. Auch 2024 dürften es laut von Planta mehr als 30 Personen sein.

Energiepolitiker Gian von Planta sieht Rot bei den Millionen-Boni für Stromhändler der Axpo.

Energiepolitiker Gian von Planta sieht Rot bei den Millionen-Boni für Stromhändler der Axpo.

Bild: Claudio Thoma

Der Grossrat hatte schon im August im Parlament einen Vorstoss mit mehreren Fragen zum Stromhandel und den Boni der Trader bei Axpo eingereicht. Er wollte unter anderem wissen, wie gross der gesamte Bonus war, den die Axpo im Handel für das letzte Geschäftsjahr ausbezahlt hat. Weiter fragte der GLP-Politiker, wie hoch die Bonussumme für die fünf bestbezahlten Mitarbeitenden war. Schliesslich verlangte er Angaben dazu, wie gross der höchste ausbezahlte Bonus für Trader war.

Schädigungspotenzial und Geschäftsgeheimnis

Inzwischen liegt die Stellungnahme dazu vor, doch von Planta ist damit nicht zufrieden: «Erwartungsgemäss hat mir der Regierungsrat auf meine Interpellation keine genaue Antwort gegeben.» So schreibt die Regierung zum Beispiel, eine Offenlegung der Bonussumme, welche die Axpo im Handel für das letzte Geschäftsjahr ausbezahlt hat, sei nicht möglich. Dies würde es den Mitarbeitenden der Axpo erlauben, Rückschlüsse zu machen, die Schädigungspotenzial für das Unternehmen hätten.

Ähnlich klingt es bei der Frage nach der Bonussumme der fünf bestbezahlten Mitarbeitenden. Bei derartigen Daten handle es sich um wettbewerbsrelevante Geschäftsgeheimnisse, die Konkurrenten und Headhunter allenfalls in Erfahrung bringen und so Vorteile im Abwerben von Schlüsselpersonen erhalten könnten. Zudem dürfe die Axpo auch aus Gründen des Persönlichkeits- und Datenschutzes keine Auskunft zu Lohnzahlungen für kleine Gruppen von Mitarbeitenden geben.

Bonus von 9 Millionen? Axpo liefert keine Antwort

Auf die Nachfrage der AZ, ob es bei der Axpo tatsächlich Stromhändler gebe, die einen Bonus von 9 Millionen Franken erhalten, wie dies von Planta sagt, gibt es keine klare Aussage. «Axpo macht keine Angaben zur Grösse des Bonuspools und zu individuellen Bonuszahlungen», teilt Sprecherin Simina Marca mit. Das ist kein Nein, die ausserordentlich hohe Summe bleibt deshalb im Raum stehen.

Im Handelsgeschäft werde ein Teil der ergebnisbezogenen Vergütung direkt und ein Teil zeitverschoben ausbezahlt, ergänzt die Sprecherin. Weiter sagt Marca: «Der direkt ausbezahlte Anteil ist nach oben gedeckelt.» Gleichzeitig seien die Händler über ein spezielles Malus-System auch direkt an einem allfälligen Misserfolg beteiligt. Und der Erhalt von individuellen Bonuszahlungen setze regelkonformes Verhalten voraus.

Stromhandel trägt massiv zum Gewinn bei

Im letzten Jahr erzielte die Axpo mit dem Handel einen Vorsteuergewinn von 1,1 Milliarden Franken, dies bei einem Unternehmensergebnis von gut 1,5 Milliarden. Der Regierungsrat schreibt, mehr als die Hälfte des Gewinns der letzten zehn Jahren stamme aus dem Kunden- und Handelsgeschäft, «in den letzten drei Jahren sogar über 75 Prozent». Der Aufbau des Eigenkapitals von 7,3 Milliarden Franken im Jahr 2020 auf 12,8 Milliarden per 1. Halbjahr 2023/24 wurde zu einem grossen Teil daraus finanziert.

Darüber hinaus liege das bedeutendste Risiko der Axpo nicht im Handel, sondern in der strompreisabhängigen Erzeugung im Schweizer Kraftwerkspark. Dies habe sich vor allem in der Tiefpreiskrise (Mitte 2010er-Jahre) und der Energiekrise (2021/2022) gezeigt. Deshalb habe die Axpo ihr Geschäftsmodell diversifiziert und sei über die Stromproduktion und die Schweiz hinaus aktiv. «Dadurch konnte das Preisrisiko der Schweizer Produktion abgefede

rt werden», schreibt die Regierung.

Einbürgerungs-Streit nächste Runde – AZ

Ein Ortsbürger-Kritiker will selber einer werden: Gian von Plantas Kampf um Aufnahme in Baden sorgt seit Monaten für Wirbel. Jetzt mischt sich ein stadtbekannter Politiker ein.

Pirmin Kramer
Gian von Planta: Die Ortsbürger haben sein Gesuch um Aufnahme abgelehnt.

Gian von Planta: Die Ortsbürger haben sein Gesuch um Aufnahme abgelehnt.

Bild: Britta Gut

Gian von Planta will Ortsbürger von Baden werden, doch der Widerstand dagegen ist gross. Im Sommer war ihm die Aufnahme ins Ortsbürgerrecht verweigert worden, wogegen er Einsprache machte – und vom Regierungsrat im Dezember recht erhielt. Dieser hielt fest, der Entscheid der Ortsbürger sei unhaltbar und willkürlich gewesen.

Die Aufnahme sei von Planta einzig verweigert worden, weil befürchtet werde, dass er dereinst von seinem gesetzlich verankerten Antragsrecht auf Zusammenschluss von Ortsbürger- und Einwohnergemeinde Gebrauch machen könnte. Hintergrund: Von Planta hatte vor einigen Jahren einen Vorstoss zur Auflösung der Ortsbürger eingereicht.

Im Sommer 2025 soll es darum erneut zur Abstimmung über das Einbürgerungsgesuch von Plantas kommen, so der Regierungsrat. Er hat die Angelegenheit im Dezember zur Neubeurteilung an die Ortsbürgergemeinde Baden zurückgewiesen. Doch diesen Entscheid aus Aarau will ein Badener Ortsbürger nicht akzeptieren.

Mark Füllemann (FDP), ehemaliger langjähriger Einwohnerrat, hat eine Beschwerde eingereicht. Er will, dass der Regierungsratsbeschluss aufgehoben und die Beschwerde Gian von Plantas gegen das Nein der Ortsbürgergemeinde zu seiner Einbürgerung abgewiesen wird.

Die Begründung von Mark Füllemann: Ausländer müssten bei Einbürgerungen die Grundwerte der Bundes- und Kantonsverfassung anerkennen. Die sinngemässe Anwendung auf den Erwerb des Ortsbürgerrechts bedeute, dass man als Gesuchsteller das Existenzrecht einer Ortsbürgergemeinde anerkennen müsse. Von Planta aber habe mit seinem Vorstoss zur Abschaffung der Ortsbürgergemeinde zum Ausdruck gebracht, dass er ihr das Existenzrecht abspreche.

Auf Anfrage sagt Gian von Planta: «Ich stelle das Existenzrecht der Ortsbürgergemeinde nicht per se in Frage. Allerdings finde ich es wichtig, über eine Fusion von Einwohner- und Ortsbürgergemeinde, so wie das im kantonalen Gesetz vorgesehen ist, zu diskutieren.»

Denn die Aufrechterhaltung von zwei Gemeinden innerhalb von Baden führe zu zahlreichen Doppelspurigkeiten und Interessenkonflikten in der Verwaltung. Und sie verkompliziere die Wahrnehmung der demokratischen Willensäusserung. «Gerade in der aktuellen Diskussion um eine Immobilienstrategie für die Stadt Baden wäre es besser, wenn sowohl die Immobilien und Grundstücke der Orts- als auch der Einwohnergemeinde gemeinsam betrachtet würden», erklärt von Planta.

Interessant ist die Einschätzung von Professor Andreas Glaser vom Zentrum für Demokratie in Aarau. «Einem engagierten Mitbürger wurde das Bürgerrecht verwehrt, weil er politisch unliebsame Meinungen vertrat», schrieb er kürzlich in einem Gastbeitrag in dieser Zeitung. «Die Einbürgerungspraxis in der Ortsbürgergemeinde Baden erinnert fatal an den Fall Emmen. Dort wurde Menschen mit ‹balkanstämmig› tönenden Nachnamen die Einbürgerung verweigert», schreibt Glaser.

Die Ortsbürgergemeinde Baden habe gegen das Willkürverbot verstossen. Zugleich habe sie die verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgleichheit verletzt, indem sie alle anderen Bewerberinnen und Bewerber einbürgerte. Glaser wählt deutliche Worte: «Erstaunlich ist, dass der Regierungsrat angesichts eines derart unhaltbaren Entscheides die Sache an die Ortsbürgergemeinde zurückverwiesen und elementaren rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht durch die sofortige Einbürgerung selbst zum Durchbruch verholfen hat.»

Regierungsrat hat über Beschwerde entschieden

Im Sommer hatten die Badener Ortsbürger dem GLP-Grossrat die Einbürgerung verwehrt. Dagegen reichte Gian von Planta eine Beschwerde beim Kanton ein. Was dieser beschlossen hat und wie hoch die Verfahrenskosten für die unterlegene Partei sind.

Vor rund einem halben Jahr verweigerte die Ortsbürgergemeinde Baden dem GLP-Grossrat Gian von Planta die Aufnahme ins Ortsbürgerrecht (die AZ berichtete). In einer geheimen Abstimmung waren 79 gegen die Aufnahme und 32 dafür. Ein für Baden historischer Entscheid: Noch nie in der jüngeren Geschichte der Ortsbürger wurde ein Einbürgerungsgesuch abgelehnt. Aufgenommen wurden hingegen von Plantas Ehefrau sowie die beiden Töchter.

Der Entscheid war anfechtbar, und von Planta machte davon Gebrauch. Am 3. Juli reichte er eine Beschwerde beim Regierungsrat ein. An der Ortsbürger-Wintergmeind auf der Baldegg vom vergangenen Montag informierte Stadtammann Markus Schneider (Mitte) nun, dass diese Beschwerde vom Regierungsrat gutgeheissen worden sei.

Der Stadtrat ist nicht nur die Exekutive der Stadt Baden, sondern auch diejenige der Ortsbürger und Schneider damit auch deren Vorsitzender. Mit seinem Entscheid habe der Regierungsrat die Angelegenheit zur Neubeurteilung an die Ortsbürgergemeinde Baden zurückgewiesen, so Schneider. Diese muss nun an ihrer «Sommergmeind» am 16. Juni 2025 noch einmal über das Einbürgerungsgesuch abstimmen.

Gian von Planta zeigt sich auf Anfrage zufrieden mit der Entscheidung des Kantons. Überrascht habe ihn diese nicht, sagt er: «Ich war davon ausgegangen, dass der Entscheid der Ortsbürger nicht rechtens war.» Spannend sei jedoch die juristische Begründung, die der Regierungsrat den Beteiligten am 21. November zugestellt hat.

Ortsbürger-Entscheid ist «unhaltbar und willkürlich»

Darin kommt der Regierungsrat zum Schluss, der Entscheid der Ortsbürger sei «unhaltbar und willkürlich». Er taxiert die Gründe für die Abweisung als «nicht sachlich». Diese basieren auf einer Anfrage von Plantas im Jahr 2022 an den Stadtrat: Darin hatte er als Einwohnerrat kritische Fragen betreffend die Organisation sowie die heutige Funktion der Ortsbürgergemeinde gestellt. Zwei Votanten hatten zudem an der Ortsbürger-Gmeind geäussert, dass sein Gesuch seltsam erscheine, «da er unbedingt in die Ortsbürgergemeinde eintreten und diese auflösen möchte.

Auch die Befürchtung, dass von Planta als Ortsbürger «jederzeit die Auflösung der Gemeinde traktandieren lassen» könne, lässt der Regierungsrat nicht gelten. Er weist darauf hin, dass sich gemäss Gemeindegesetz Ortsbürger- mit den entsprechenden Einwohnergemeinden vereinigen dürfen, wenn beide dies beschliessen.

«Dem Beschwerdeführer wird demnach einzig deshalb die Aufnahme in das Ortsbürgerrecht verweigert, weil befürchtet wird, dass er dereinst von seinem gesetzlich verankerten Antragsrecht auf Zusammenschluss Gebrauch machen könnte», schreibt der Regierungsrat. Die Aufnahme in das Ortsbürgerrecht käme damit praktisch einer Art politischen Gewissensprüfung gleich. «Eine solche Auslegung des Ortsbürgerrechts ist offensichtlich unhaltbar und stellt keinen sachlichen Grund für eine Verweigerung der Aufnahme dar.»

Gian von Planta sagt, aus dieser Begründung lese er heraus, dass sich die Ortsbürger ans Gemeindegesetz halten müssten und faktisch keinen Ermessensspielraum hätten bei der Beurteilung von Beitrittsgesuchen. Die Kriterien sind dieselben. «Eigentlich müsste man also, wenn man Stadtbürger von Baden ist, automatisch auch Badener Ortsbürger werden.» Das Prozedere der Einbürgerung sei eine zusätzliche, unnötige Hürde – «die man wohl einbaut, um unter sich zu bleiben».

Die Verfahrenskosten hätten noch höher ausfallen können

Wie geht es nun weiter? Er werde am 16. Juni 2025 an die Ortsbürgergemeindeversammlung gehen, bestätigt Gian von Planta: «Schliesslich will ich meine Verantwortung als Bürger weiterhin wahrnehmen.» Andererseits spüre er schon einen gewissen Druck und eine Ausgrenzung, die ihn zögern liessen. «Es wäre aber schade und ein falsches Signal, mein Gesuch nun zurückzuziehen oder die Wahl nicht anzunehmen.

Seine Chancen sind ausgezeichnet. Gemäss Regierungsrat dürfen die bisherigen Argumente von Planta bei einer erneuten Beurteilung des Gesuchs nicht mehr vorgeworfen werden: «Liegen keine neuen Umstände vor, die gegen eine Annahme sprechen, wird die Ortsbürgergemeinde Baden nicht umhinkommen, ihn in das Ortsbürgerrecht der Gemeinde Baden aufzunehmen.»

Die Badener Ortsbürger müssen zudem die kompletten Verfahrenskosten von 1500 Franken tragen. Es hätte sie sogar noch teurer zu stehen kommen können. Da sich Gian von Planta nicht anwaltlich vertreten liess, entfällt jedoch die Ausrichtung einer Parteientschädigung.

Gegen den Entscheid des Regierungsrats kann innert 30 Tagen beim Verwaltungsgericht Beschwerde geführt werden. Der Badener Stadtrat werde davon jedoch nicht Gebrauch machen, so Markus Schneider: «Wir sehen nach Studium der Begründung des Regierungsrats keinen Grund dazu.»

Limmattalbahn-Projekt wird nicht beerdigt

Die Verlängerung des Trams von Killwangen nach Baden bleibt für die Zukunft eine Option. Dies hat die Behördendelegation entschieden. Die Gegner der Bahn kritisieren, die Innenentwicklung werde blockiert. GLP-Grossrat Gian von Planta hingegen spricht von einem richtigen Entscheid.

ine Verlängerung der Limmattalbahn von Killwangen bis nach Baden bleibt für die Zukunft eine Option: Dies hat die Behördendelegation des Gesamtverkehrskonzepts für die Region Baden entschieden. Konkret: Die Tramlinien werden vorerst zwar nicht bis nach Baden verlegt. Aber das könnte in Zukunft noch passieren, falls der Ausbau des restlichen ÖV-Netzes keine ausreichende Wirkung zeigen sollte. Darum werden die Trassees in den betroffenen Gemeinden, so beispielsweise in Wettingen, in den kommenden Jahren und Jahrzehnten für ein Tram freigehalten.

Damit hat die IG Limmatmobil ihr grosses Ziel verfehlt: Die partei- und gemeindeübergreifende Gruppierung wollte unter anderem mit einer Plakataktion dafür sorgen, «die immer noch herumgeisternde Idee der Tramverlängerung zu beerdigen».

«Wir sind nicht glücklich, aber auch nicht überrascht über den Entscheid der Behördendelegation», sagt IG-Limmatmobil-Präsident Christoph Meier (GLP) aus Würenlos. «Immerhin wird nicht sofort drauflos gebaut», kommentiert er. Für die Entwicklung der Region Baden sei der Entscheid aber nicht gut. Denn weil ganze Strassenkorridore für allfällige Trassees auf Vorrat freigehalten werden, sei an diversen Orten die Innenentwicklung blockiert.

Das Hauptproblem der Limmattalbahn-Verlängerung wäre aus Sicht von Meier: «Das Tram löst das Mobilitätsproblem in der Region Baden nicht. Ausserdem wäre eine Verlängerung mit Kosten von 500 Millionen Franken sehr teuer.»

Gian von Planta, GLP-Grossrat.

Gian von Planta, GLP-Grossrat.

Bild: Dlovan Shaheri

Ganz anders ist die Stimmungslage bei Meiers Parteikollege Gian von Planta, Grossrat aus Baden. Er setzt sich seit Jahren für die Limmattalbahn ein. «Es ist wichtig und richtig, dass der Regierungsrat das Trassee für die Limmattalbahn sichert, denn die Limmattalbahn wird dereinst das Rückgrat des öffentlichen Verkehrs in der Region Baden sein», kommentiert er.

«Es muss auch niemand Angst davor haben, dass der Regierungsrat den Entscheid für den Bau alleine fällen wird», sagt Gian von Planta. «Wenn das Projekt ausgearbeitet ist, kann das Volk demokratisch entscheiden.»

Er sei auch froh, dass der Regierungsrat die Gesamtinteressen der Region Baden und die Förderung eines starken öffentlichen Verkehrs höher gewichte als die Meinung einer einzelnen Interessengemeinschaft.

Gemeinden stellen sich hinter Kernkraft – Tele Z

Nach der Bekanntgabe der Aufhebung des Neubauverbots für Kernkraftwerke durch Energieminister Albert Rösti (SVP), haben sich zwei Dörfer im Kanton Aargau überraschend positive geäussert. Sie würden den Bau ein neues AKW’s in ihrer Region begrüssen…

Meine Meinung:

  • Die Diskussion um neue AKW ist eine Scheindebatte von denen, die die Klimaerwärmung nicht wahrhaben und die Energiestrategie torpedieren wollen.
  • Der Business Case für AKW hat sich in Luft aufgelöst. AKW liefern Bandlast. Genau das, was wir in Zukunft nicht mehr brauchen. Von Frühling bis Herbst werden wir genügend erneuerbare Energien haben und vom Herbst bis zum Frühling zumindest teilweise.

Verlängerung des Trams nach Baden zwingend – AZ

Für Grossrat Gian von Planta ist die Verlängerung des Trams von Killwangen bis Baden zwingend. Aber es werde Einschränkungen für Autos geben.

Die Limmattalbahn fährt momentan bis Killwangen – und künftig auch bis Baden?

Die Limmattalbahn fährt momentan bis Killwangen – und künftig auch bis Baden?

Bild: zvg / ava

Eine Verlängerung der Limmattalbahn von Killwangen nach Baden müsse unbedingt verhindert werden: Diese Forderung stellt die IG Limmatmobil. Sie hat eine Plakatkampagne lanciert, mit welcher sie das Tramprojekt «beerdigen» will. Der Präsident der Gruppierung, Christoph Meier (GLP) aus Würenlos, ist überzeugt: «Die Limmattalbahn würde mehr Probleme verursachen, als sie löst.»

Verärgert über die Aussagen Christoph Meiers ist sein Parteikollege Gian von Planta, GLP-Grossrat aus Baden. «Ich rege mich gerade sehr über die Aktivitäten der IG Limmatmobil auf», schreibt er. «Wenn wir die Mobilität ausbauen wollen, führt kein Weg am Tram vorbei.»

Gian von Planta: «Wenn wir die Mobilität ausbauen wollen, führt kein Weg am Tram vorbei.

Gian von Planta: «Wenn wir die Mobilität
ausbauen wollen, führt kein Weg am Tram vorbei.

Bild: Dlovan Shaheri

Ein Tramtrassee brauche weniger Platz als ein Bustrassee und biete dabei deutlich mehr Kapazität und einen höheren Komfort. «Überall dort, wo ein neues Tram, auch gegen den Widerstand der lokalen Bevölkerung, gebaut wurde, will schon nach wenigen Jahren niemand mehr darauf verzichten», so Gian von Planta.

Tatsächlich könne es beim Bau einer Tramlinie zu Einschränkungen für den motorisierten Individualverkehr kommen, denn Platz sei in besiedelten Gebieten Mangelware. «Lösungen bei der Badener Hochbrücke oder beim Schlossbergtunnel werden wohl nicht ohne Einschränkungen möglich sein», sagt von Planta. «Dafür erhöhen wir aber die Gesamtmobilität, und dies erst noch umweltfreundlich.»

Ein Plakat der Limmattalbahn-Gegner.

Ein Plakat der Limmattalbahn-Gegner.

Bild: zvg

Nicht verstehen kann er, dass die IG Limmatmobil mitten im Abstimmungskampf um den Autobahnausbau Werbung gegen die Weiterführung der Limmattalbahn nach Baden mache. «Gerade eine Limmattalbahn wäre ein wichtiges Element, um den Druck von den Autobahnen zu nehmen und das Stauproblem nicht weiter wachsen zu lassen.»

Auch die Kosten müsse man relativieren. 460 Millionen Franken seien nicht zu viel für die Limmattalbahn. Das Projekt für die Entflechtung des Autoverkehrs in Suhr beispielsweise, «das lediglich zu mehr Autoverkehr, mehr Zersiedelung und mehr Stau führt», koste 366 Millionen Franken.

«Natürlich brauchen wir die Limmattalbahn nicht, um von Baden nach Dietikon oder Zürich zu fahren», erklärt von Planta. Auch in Zürich fahre niemand mit dem Tram vom Hauptbahnhof bis zum Bahnhof Oerlikon, und trotzdem gebe es drei Tramlinien auf dieser Strecke. Das Tram bediene ausgehend von ÖV-Drehscheiben wie Bahnhöfen die wichtigsten Achsen und sorge für genügend Kapazität.

Autobahn-Ausbau heftig umstritten

Autobahn-Ausbau auch in der Aargauer Politik heftig umstritten

Autobahnen ausbauen, Mobility-Pricing einführen, Mitfahr-Apps fördern oder Engpässe beseitigen?

In drei Wochen stimmt die Schweiz über Autobahn-Ausbauten für fast 5 Milliarden Franken ab. Es geht um Projekte in Bern, Schaffhausen, Basel, St.Gallen und am Genfersee. Auch im Aargau läuft die Diskussion heiss, dies zeigt ein Podium in Niederrohrdorf.

Ausbauschritt 2023 – so heisst die Vorlage offiziell, die am 24. November zur Abstimmung kommt. Dann entscheidet die Stimmbevölkerung, ob sechs Autobahnprojekte für 4,9 Milliarden Franken realisiert werden können. Das Bundesparlament hat zugestimmt, Umweltverbände haben das Referendum ergriffen. Konkret geht es um Ausbauten im Raum Bern (Wankdorf-Kirchberg), in Schaffhausen (Fäsenstaubtunnel), Basel (Rheintunnel), St.Gallen (Rosenbergtunnel) und am Genfersee (Le Vengeron-Nyon).

Obwohl keines der Projekte im Aargau liegt, empfiehlt der Regierungsrat ein Ja. Die Ausbauten seien eine wichtige Voraussetzung für die spätere Erweiterung der A1 zwischen der Verzweigung Birrfeld und Aarau Ost auf sechs Spuren, hielt er letzte Woche fest. Diese Argumentation ist umstritten – auch im Autobahnkanton gibt es Gegner der Vorlage. Dies zeigte sich an einem Podium in Niederrohrdorf, das von Mitte, GLP, SP und FDP organisiert wurde.
Beat Flach kurzfristig in der «Arena»

Nach drei einführenden Referaten von Alexander Erath (Leiter des Fachbereichs Verkehr und Mobilität an der Fachhochschule Nordwestschweiz), Katrin Schönenberger (Leiterin der Sektion Verkehrsplanung im Departement Bau, Verkehr und Umwelt) sowie Erwin Wieland (stellvertretender Direktor des Bundesamts für Strassen) wurde die Vorlage kontrovers debattiert.

Unter der Leitung von Mathias Küng, Ex-Politikchef der Aargauer Zeitung, diskutierten Mitte-Ständerätin Marianne Binder sowie die Grossräte Gian von Planta (GLP), Stefan Dietrich (SP) und Norbert Stichert (FDP). Der ursprünglich vorgesehene Grünliberalen-Nationalrat Beat Flach musste passen, weil er am gleichen Abend in die «SRF-Arena» zu den Autobahn-Vorlagen eingeladen wurde.

Sein Vertreter von Planta schlug als Alternative zu den Ausbauten neue Modelle wie Mobility-Pricing oder die Stärkung des öffentlichen Verkehrs vor. «Wenn der politische Wille hier ist, dann geht das», so der GLP-Politiker. Auf den Hinweis, dass man künftig selbstfahrende oder umweltfreundliche Elektroautos in Betracht ziehen müsse, entgegnet er, dass mehr Individualverkehr Platz brauche, den man nicht schaffen könne oder wolle. Man müsse jetzt einen Richtungsentscheid treffen, die Zentren sowie der Schienenverkehr sollten gestärkt werden, sagte von Planta.
Marianne Binder auf der Autostrada

Marianne Binder erzählte aus ihrer Kindheit, als sie mit ihren Eltern nach Italien in die Ferien fuhr. In der Schweiz ohne Autobahn zog sich die Fahrt über Stunden hin, auf der Autostrada in Italien ging es dann viel schneller weiter nach Süden. Binder sagte, auch im Hinblick auf die Schweizer Klimaziele dürfe das Auto nicht verteufelt werden, und man sollte den ÖV nicht gegen den Individualverkehr ausspielen. Umweltschutz sei wichtig, doch die sechs Autobahn-Engpässe stellten nach wie vor ein Problem dar, welches einer Lösung bedürfe.

SP-Co-Präsident Stefan Dietrich sagte, schweizweit 1,4 Millionen Fahrzeugbewegungen pro Tag seien im Hinblick auf die Klimaziele 2050 nicht vertretbar. Mit einem Ausbau der Autobahnen und somit einem langfristigen Anstieg des Pendelverkehrs setze man falsche Prioritäten. Das Zubetonieren der Landschaft, der Feinstaub sowie die Lärmbelastung seien ernst zu nehmende Probleme. Dem sollte man entgegenwirken und sich von der problematischen «Eine Person, ein Auto»-Regel lösen. Als Beispiel erwähnt er eine App, die in Tel Aviv eingesetzt wird und Carpooling ermöglicht.
Mobilität als Grundbedürfnis?

Zur CO2-Problematik der Personenwagen wendet Norbert Stichert ein, der heutige Stau trage zu diesen Emissionen bei. Die Abstimmung habe keinen direkten Zusammenhang mit der Klimaproblematik, sagte der FDPler. Das Konzept der Mitfahrgelegenheiten sei nicht überall sinnvoll oder möglich. Wichtig sei, dass das Grundbedürfnis der Mobilität in der Schweiz gedeckt sei. Man habe das Strassennetz in den Fünfzigerjahren geplant, in manchen Regionen seien zwangsläufig Engpässe entstanden, und die Infrastruktur habe Nachholbedarf, betonte der Freisinnige.

Binder betonte abschliessend, dass eine gesamthafte Verbesserung der Situation gefragt sei, damit der Verkehr nicht in den Agglomerationen stecken bleibe. Dietrich hielt dagegen, mit diesen Projekten werde kein Problem gelöst, sie seien intransparent, extrem teuer und nicht umweltfreundlich. Dass die Investition in Infrastruktur wegen der wachsenden Schweizer Bevölkerung sowie zur Mobilitätsförderung zwingend notwendig sei, führte Stichert ins Feld. Von Planta schliesslich argumentierte, es werde nie gelingen, die Staus mit Symptombekämpfung zu verringern, und der Ausbau werde bloss zu mehr Verkehr führen. (az)

Alte Privilegien unter Druck – NZZ

Relikte aus dem Ancien Régime oder Wohltäter? Die Ortsbürgergemeinden stehen in der Kritik und machen jetzt Werbung in eigener Sache

Bürgergemeinden und Korporationen sind grosse Landeigentümer. Obwohl sie vielerorts für bezahlbare Wohnungen sorgen, steht ihre demokratische Legitimität infrage.

Gian von Planta ist sich bewusst, dass er ein heisses Eisen anpackt. Doch das Thema beschäftigt den GLP-Politiker schon seit langem. «Es ist mit der schweizerischen Demokratie schwer vereinbar, dass es in vielen Gemeinden des Landes immer noch Leute gibt, die mehr zu sagen haben als andere», sagt von Planta. Ihn stört, dass wegen eines «Überbleibsels aus dem Ancien Régime» viele Schweizerinnen und Schweizer in vielen Gemeinden von wichtigen Entscheidungen faktisch ausgeschlossen sind.

Der Maschineningenieur, der im Aargauer Kantonsrat politisiert und früher dem Stadtparlament von Baden angehörte, zielt mit dieser Kritik auf die Bürgergemeinden und Korporationen. Von Planta belässt es nicht bei Worten. Er forderte den Stadtrat von Baden auf, zur Abschaffung der Ortsbürgergemeinde Stellung zu nehmen.

Privilegien für bestimmte Einwohner
Doch warum gibt es diesen Konflikt? Viele Schweizerinnen und Schweizer haben noch nie etwas von den Bürgergemeinden gehört. Dabei spielten sie als Keimzellen der Demokratie in der Alten Eidgenossenschaft eine wichtige Rolle. Ihr Ende schien mit der Besetzung der Schweiz durch die Franzosen 1798 besiegelt. Im Geiste der Revolution sollte das Prinzip der Gleichheit durchgesetzt werden. Ein einheitlicher Staat sollte ein einheitliches Bürgerrecht verleihen.

Doch bereits ab 1803 gingen die Kantone unterschiedliche Wege. Während Genf, Waadt und Neuenburg an der Einheitsgemeinde festhielten, gibt es in den anderen Kantonen noch 1650 Bürgergemeinden, Burgergemeinden, Korporationen, Zünfte, Patriziati und Bourgeoisies.

Das führt zu einem Grundkonflikt: Im Gegensatz zur politischen Gemeinde ist in der Bürgergemeinde nicht das Gebiet, sondern die persönliche Zugehörigkeit – durch Abstammung oder Einbürgerung –massgebend. Die Bürgergemeinde ist der Schutz der Ortsansässigen vor den Zugezogenen. Sie kann nach wie vor allein über ihr Eigentum verfügen. So besitzt die Ortsbürgergemeinde Baden, deren Privilegien von Planta nun schleifen will, rund 60 Prozent des Stadtgebiets.

Tobias Haller beschäftigt sich seit langem wissenschaftlich mit Bürgergemeinden und Korporationen. «Die Art und Weise, wie sie Ressourcen wie Wald und Weide nutzen, gilt international als Paradebeispiel für Nachhaltigkeit», sagt der Professor für Sozialanthropologie an der Uni Bern. In einem vom Schweizerischen Nationalfonds finanzierten Forschungsprojekt hat er zusammen mit einem Team aus den Universitäten Bern (Geschichte und Geografie) und Lausanne (Politologie) untersucht, wie sich die Nutzung und die Pflege dieser Ressourcen in den Kantonen Uri, Graubünden, Obwalden, Wallis und Tessin seit Mitte des 18. Jahrhunderts verändert haben.

Der Aspekt, dass diese Gemeinschaften nicht für alle offen sind, hat laut Haller immer wieder zu Diskussionen geführt. «Aus anthropologischer Sicht ist dieses Merkmal für Kollektiveigentum entscheidend. Man muss Mitglied sein, um verantwortungsvoll für die kommenden Generationen über das kollektive Eigentum entscheiden zu können», sagt er. Die Forschung habe gezeigt, dass viele dieser Commons, wie sie im Englischen genannt werden, eine gute Balance zwischen dem schwindenden Marktwert von Wald- und Agrarprodukten und der staatlichen Subventionspolitik gefunden hätten.

Der Wissenschafter weist darauf hin, dass in vielen Bürgergemeinden eine interne Quersubventionierung stattfindet, die in der Wirtschaft so nicht möglich wäre. «Angesichts der Tatsache, dass rund ein Drittel des Schweizer Waldes im Besitz von Bürgergemeinden und Korporationen sind, ist dies ein nicht zu unterschätzender Beitrag zur Biodiversität», betont Haller. Dasselbe gelte für die Sömmerungsgebiete im Alpenraum. Dieser Aspekt werde in der politischen Diskussion oft vergessen und sei in der Öffentlichkeit nicht präsent.

Im Verlauf der Zeit haben sich die Bürgergemeinden für einen erweiterten Personenkreis geöffnet. Teils passierte dies freiwillig, teils unfreiwillig durch Gerichtsurteile. Je nach Kanton veränderten sich die Macht- und Besitzverhältnisse der Bürgergemeinden unterschiedlich. In Luzern wurden im Jahr 2000 Bürger- und Einwohnergemeinden zusammengelegt. Im Aargau kam es zu freiwilligen Fusionen in einzelnen Gemeinden.

Nationaler Tag der Bürgergemeinde
Tendenziell nimmt die Bedeutung der Bürgergemeinden ab. Das Bild des unbekannten Wesens oder des unheimlichen Machtzirkels soll nun korrigiert werden. Am 14. September findet erstmals der nationale Tag der Bürgergemeinden und Korporationen unter dem Motto «Tag für alle» statt. «Wir wollen die wichtigen öffentlichrechtlichen Körperschaften bekannt machen und Vorurteile abbauen», so erklärt Elias Maier das Ziel der Aktion, an der sich über 400 Körperschaften beteiligen.

Maier ist der Geschäftsführer des Schweizerischen Verbandes der Bürgergemeinden und Korporationen (SVBK). Für den Tag der offenen Tür werben Prominente, unter ihnen der Skirennfahrer Marco Odermatt (Korporationsgenosse Buochs), die Moderatorin Christa Rigozzi (Bürgerin der Gesamtbürgergemeinde Aquila-Torre-Lottigna) und die Sängerin Stefanie Heinzmann (Ehrenburgerin Visp).

«Unsere Mitglieder wollen ihre vielfältigen Aktivitäten, ihr Engagement für die Allgemeinheit, ihre Geschichte, aber auch ihren Weg in die Zukunft präsentieren», erklärt Maier. Die Veranstaltungen finden im ganzen Land statt. Sie reichen von geführten Rundgängen über Besichtigungen und Informationen im Wald bis zu einem Tag der offenen Tür in den Gebäuden der Bürgergemeinden und Korporationen, von Besichtigungen in Rebbergen, Alters- und Pflegheimen (Bürger- und Burgerspitälern) und Fernwärmezentralen bis hin zu Konzerten oder Dorffesten und Märkten. Zudem bietet der Tag die Gelegenheit, den eigenen Heimatort besser kennenzulernen.

Dass viele dieser Aktivitäten im Wald stattfinden, ist alles andere als ein Zufall. Gehören doch rund 40 Prozent der Schweizer Waldfläche von 1,27 Millionen Hektaren den Bürgergemeinden und Korporationen. Die Wälder sind eine wichtige Einnahmequelle. Gemäss einer Umfrage des SVBK unter seinen Mitgliedern stammen 18,1 Prozent der Erträge aus der Holzwirtschaft.

Dieser «Waldreichtum» ist jedoch relativ. Seit einiger Zeit verdienen die meisten Bürgergemeinden und Korporationen damit kein Geld mehr. Vielmehr verursachen die Umstellung auf andere Baumarten wegen des Klimawandels, Wildverbiss und der Nutzungsdruck durch Biker und Wanderer zusätzliche Kosten. Der Wald als Finanzquelle, mit der die Bürgergemeinden soziale und kulturelle Aktivitäten quersubventionieren konnten, fällt weitgehend weg.

Hingegen sind Bürgergemeinden ein Gigant im Immobilienbereich. Viele dieser Körperschaften geben das ihnen gehörende Land im Baurecht an Bauherren ab. 30 Prozent ihrer gesamten Einnahmen fliessen aufgrund dieser Baurechte, weitere 27 Prozent sind Mieterträge. Für Doris Leuthard, Ortsbürgerin von Merenschwand und Sarnen, sind Bürgergemeinden daher wichtige Erbauer von bezahlbarem Wohnraum. «Die Ortsbürger kauften Land und verkauften dieses oft an junge Ortsbürger weiter, damit die Generationen im Dorf bleiben konnten», erklärte die Altbundesrätin 2023 an der Versammlung des SVBK. Ausserdem schüfen sie bezahlbare Mietwohnungen.

Gegen die reichen Bernburger
Als Musterbeispiel für diese Vorgehensweise gilt die Burgergemeinde Bern. Sie ist die reichste Körperschaft dieser Art in der Schweiz. Ohne die Burger geht in der Bundesstadt fast nichts. Ihren etwas über 18 000 Mitgliedern gehören rund 30 Prozent des städtischen Bodens, eine eigene Bank, das Burgerspital, das Kasino sowie das Naturhistorische Museum. Die Burgergemeinde setzt die Mittel, die sie aus ihren Liegenschaften und Besitztümern geniert, für die Bevölkerung ein. Sie «fördert das kulturelle, soziale und wissenschaftliche Leben in Stadt und Kanton Bern», wie sie auf ihrer Website schreibt.

Dem Berner SP-Stadtrat Halua Pinto de Magalhães ist diese «selbstverpflichtete Wohltätigkeit der Burgergemeinde» nicht genug. Vielmehr solle die Burgergemeinde das Erbe der Aristokratisierung in Bern anerkennen. Pinto de Magalhães fordert, dass in der Stadt Bern eine Strategie entwickelt wird, wie Burger- und Einwohnergemeinde vereinigt werden können. Im Dezember 2023 hat das Berner Stadtparlament das Postulat als erheblich erklärt. Zumindest personell sind die Verflechtungen bereits heute eng. Mit Stadtpräsident Alec von Graffenried und Michael Aebersold sitzen zwei Burger in der Stadtregierung.

Wie viele andere Versuche dürfte dieser Angriff auf die Bürgergemeinde auch diesmal scheitern. Auch in Baden sieht es nicht nach einem schnellen Ende der Ortsbürgergemeinde Baden aus. Dort wollte Gian von Planta in einem Schritt Ortsbürger werden und mehr über die Organisation erfahren. «Falls sie mich nicht von der Sinnhaftigkeit dieses Konstruktes überzeugt hätten, hätte ich Überzeugungsarbeit innerhalb der Ortsbürgergemeinde für ihre Auflösung gemacht», sagt er zu seinem Vorgehen.

Von Planta redet im Konjunktiv. Die Ortsbürger von Baden haben ihm im Juni die Einbürgerung verweigert. Eigentlich ist dieser Schritt eine Formsache, doch die Ortsbürger wollen ihren schärfsten Kritiker offenbar nicht in ihren Reihen haben. Auch der Stadtrat, welcher sowohl für die Ortsbürger- als auch für die Einwohnergemeinde die Exekutive ist, will von einer Fusion nichts wissen und hat eine entsprechende Anfrage abgelehnt.

Von Planta denkt nicht daran, aufzugeben. Er hat bei der Aargauer Regierung Beschwerde gegen den Einbürgerungsentscheid eingereicht. Danach bliebe der normale Rechtsweg als Option. «Ich bin gespannt, wie ein Gericht eine Organisation wie die Ortsbürgergemeinde staatspolitisch einordnet», sagt der GLP-Politiker. Je nach Begründung will er auf kantonaler Ebene einen Vorstoss zur Abschaffung der Ortsbürgergemeinden im Aargau prüfen. Einen Beliebtheitspreis wird er damit zumindest bei den Alteingesessenen nicht gewinnen.

Wie weiter mit der Axpo – Tages Anzeiger

Wie weiter nach dem Axpo-Nein?

Schaffhauser Abstimmung Die Angst vor der Privatisierung des Stmilwnzerns sorgt für den Rückschlag heim Axpo-Vertrag. Eine Überarbeitung des Regelwerks birgt Chancen — auch für Atomfreunde. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Stefan Häne

Es ist eine schmerzhafte Nieder­lage für die Axpo. Ihre Eignerkan­tone hatten ihre Zustimmung zum neuen Regelwerk für den grössten Stromkonzern der Schweiz bereits gegeben – bis auf Schaffhausen. Überraschend haben am Sonn­tag dessen Stimmberechtigte den Vertrag mit 53,4 Prozent versenkt. Ein linle-grün dominiertes Komi­tee hatte das Referendum ergrif­fen – und damit die erste kantona­le Vollsabstimmung zum Thema provoziert. Damit gilt weiterhin der Gründungsvertrag von 1914.

  • Was war beim Axpo-Vertrag umstritten?

Der Gründungsvertrag schliesst den Aktienverkauf an Dritte aus. Der neue Vertrag sah dies fürwei­tere ffinf Jahre vor. Danach hätten sich die Eigentümer auf eine Min­destbeteiligung von 51 Prozent verpflichtet, sie hätten also bis zu

49 Prozent der Aktien verkaufen können, wobei die Eignerkantone und ihre Elektrizitätswerke ein Vorkaufsrecht erhalten hätten. Die Gegner warnten, ein Verkauf an Dritte lenke Gewinne in private Taschen und schwäche die demo­kratische Kontrolle über die eige­ne Energieversorgung.

  • Gabs weitere Befürchtungen?

Ja Der neue vertrag hätte für acht Jahre gegolten. Danach hätten die Eigentümer die Verpflichtung zur Mindestbeteiligung justieren oder abschaffen können. Dazu hätten sie eine Mehrheit der Aktienan­teile, also ein Quorum von über

50 Prozent, und die Zustimmung von fünf Vertragsparteien benö­tigt. Dass diese Bedingungen er­füllt würden, taxierte die Schaff­hauser Regierung als «unrealis­tisch». Die Gegner wollten dieses Risiko keinesfalls eingehen, nur ein Nein zum neuen Vertrag ver­hindere die zukünftige Privatisie­rung der Axpo. Der Konzern müs­se in öffentlicher Hand bleiben, nicht zuletzt um die Sicherheit der Stromversorgung weiterhin ge­währleisten zu können und die Strompreise lange tief zu halten.

— Welche Folgen hat das Nein für die Axpo?

Für die operative Geschäftstätigkeit keine unmittelbaren. Dem Konzern fehlt nun aber weiterhin ein modernes juristisches Funda­ment. Die Eignerkantone werden in den nächsten Wochen das wei­tere Vorgehen besprechen. Inwie­weit die Option einer – teilweisen – Privatisierung Teil eines neuen Vertrags bleibt, wird sich weisen.

— Warum ist diese Option für die Axpo wichtig?

Können sich zusätzliche – priva­te – Aktionäre in die Axpo einkau­fen, kommt der Konzern zu mehr Geld, das er für den teuren Umbau der Energiewelt verwenden könn­te, etwa für Investitionen in neue Wind- oder Solarparks. Inwieweit die Kantone bereit sind, die Axpo mit mehr Eigenkapital auszustat­ten, ist offen. Zudem könnten pri­vate Aktionäre im Notfall schnel­ler zusätzliches Kapital einbrin­gen, als die Kantone mit ihren oft langwierigen parlamentarischen Prozessen dazu in der Lage sind. Zu Erinnerung: Im Herbst 2022 musste der Bund in einer Feuer­wehrübung der Axpo einen Ret­tungsschirm mit einem Kreditrahmen von 4 Milliarden Franken gewähren. Grund waren die Tur­bulenzen an den internationalen Strommärkten, welche die Liqui­dität des Konzerns gefährdeten. Das Geld benötigte der Stromkon­zern in der Folge nicht.

  • Wie reagiert die Axpoauf das Nein?

Der Konzern schrieb, er nehme den Entscheid der Stimmbevölkerung «mit Bedauern zur Kenntnis». Der Schaffhauser Baudirektor Martin Kessler (FDP) bedauert das Volks­verdikt ebenfalls. Das Referen­dumskomitee habe viele Ängste geschürt. «Man hat dem Stimm­volk gesagt, dass die Axpo Kraft­werke verkaufen und die Versor­gungssicherheit gefährden wolle.»

  • ist ein neuer Vertrag auch eine Chance?

Die Abstimmungsgewinner wol­len jedwede Privatisierungsoptio­nen vom Tisch haben. Sie machen nun Druck – und erhalten promi­nente Unterstützung. Mitte-Präsident Gerhard Pfister schreibt auf X: «Dass der Verkauf von Axpo-An­teilen an ausländische Unterneh­men nicht explizit ausgeschlos­sen wurde, war ein Fehler.» FDP-Präsident Thierry Burkart findet es «naheliegend», die umstritte­ne Bestimmung zu korrigieren. Eine Chance könnte ein neuer Ver­trag auch für die Atombefürworter sein. Das nun abgelehnte Regel­werk entstand nicht zuletzt unter dem Eindruck der Energiestrate­gie 2050, die die damalige Bundes­rätin Doris Leuthard nach der Nu­klearkatastrophe von Fukushima ab 2011 vorangetrieben hatte. Es enthält auch einen Passus zu den Kernkraftwerken, deren Neubau das Stimmvolk 2017 untersagt hat.

Was bedeutet der AKW-Passus im Vertrag?

Die Axpo muss auf «zusätzliche Beteiligungen im Bereich der Kernenergieproduktion verzich­ten». Was diese Vorgabe im Detail bedeutet hätte, Ist vor der Abstim­mung öffentlich kaum diskutiert worden. Was etwa wäre, wenn die Axpo ein neues Kernkraftwerk auf dem Gelände von Beznau bauen würde? Gänzlich unrealistisch sind solche Szenarien nicht mehr. Denn inzwischen ist das AKW-Neubau-verbot politisch unter Druck gera­ten, eine Volksinitiative will es auf­heben, Energieminister Albert Rösti plant einen Gegenvorschlag.

Rainer Meier, Ex-Sprecher der Axpo, gehört zu jenen, die im Nein die Chance sehen, die Axpo-Eig­nerstrategle zu überdenken. «Ein­fach aus anderen Gründen als oberflächlichem <Ausländer Mau­en unseren Strom>-Gebelle», wie er auf der Plattform X schreibt. Die Kemkraft-Klausel im Vertrag ist für Meier ein «dämlicher politischer Passus», der jetzt hinfällig sei.

  •  Gibt es weitere Forderungen?

Ja. Der Aargauer Kantonsparla­mentarier Glan von Planta (GLP) verlangt eine neue Strategie, die eine Trennung der Axpo in zwei Teile vorsieht. Der erste Teil bein­haltete die Netze und Kraftwerke und soll nicht privatisiert werden. Anders der zweite Teil, der das in­ternationale Handelsgeschäft um­fasst – ein Geschäft, das enorme Risiken berge und der Schweizer Stromversorgung nicht diene.

— Ist die AKW-Frage wichtig? Offenbar ziemlich wichtig. Der Aargauer SVP-Nationalrat Benja­min Giezendanner fordert einen Marschhalt. Bekennt sich die Axpo nicht zu einer Strategie, die auch den Bau eines neuen KKW oder eines Reservegaskraftwerks mit einschliesst, solle sich die öffent­liche Hand von diesem «Hoch­risikoinvestment» verabschieden Gabriela Suter sieht das anders. Die Axpo dürfe nicht «betriebs­wirtschaftlich unsinnige» Inves­titionen in neue AKW machen, sagt die Aargauer SP-Nationalrä­tin. «Ich erwarte, dass die Axpo ihre Strategie gemäss Volksent­scheiden ausrichtet und ihre sat­ten Gewinne in erneuerbare Ener­gieinfrastrukturen insbesondere im Inland investiert.»

Wiederstand gegen alte Zöpfe – Blick

Viele Schweizer haben noch nie von den sogenannten Bürgerorts- oder Burgergemeinden gehört. Und doch spielen sie in der Schweiz im Hintergrund noch immer eine gewichtige Rolle. In 1500 Gemeinden gibt es die Körperschaften nach wie vor, sie stammen aus der Zeit vor dem Einmarsch der Franzosen 1798.

Die Mitglieder haben einen etwas besseren Status als nur den des gewöhnlichen Schweizer Bürgers. Mitglied sein kann nur, wer entweder hineingeboren wurde oder sich in einer geheimen Abstimmung hat wählen lassen.

Enorme Besitztümer

Als Ortsbürger von Baden kommt man in den Genuss verschiedener Privilegien. Eines davon ist die Mitbestimmung über die enormen Besitztümer, hauptsächlich Wald, Land und Immobilien. Ortsbürger haben oft einfacheren Zugang zu altersgerechten Wohnungen.

Die Institution der Bürgergemeinde in der Schweiz

Die Bürgergemeinde war die ursprüngliche Gemeindeform der Schweiz. Die Zugehörigkeit war an die Person und nicht an den Wohnort gebunden. Auch das Stimmrecht war damals mit der Mitgliedschaft verbunden. Erst mit der Gründung der Helvetischen Republik 1798 entstanden die Einwohnergemeinden – alle Einwohner hatten ab da die gleichen Rechte.

Die Bürgergemeinden aber bestimmen weiterhin aus dem Hintergrund das Geschehen mit, vor allem wirtschaftlich. Ihnen gehören weiterhin viel Land und zahlreiche Immobilien. In jedem Kanton veränderten sich die Macht- und Besitzverhältnisse der Bürgergemeinden unterschiedlich. So wurde zum Beispiel in Luzern im Jahr 2000 Bürger- und Einwohnergemeinde zusammengelegt. St. Gallen löste 2003 per Beschluss 20 Ortsgemeinden auf.

In der Stadt Bern hingegen spielt die Bürgergemeinde weiterhin eine wichtige Rolle. Ihr gehören 2000 Mietwohnungen, 3600 Hektaren Wald und eine eigene Bank. In den beiden Basel, in Graubünden und Solothurn bestimmen die Bürgergemeinden noch heute über die Einbürgerung – sie entscheiden, wer Schweizer Bürger werden kann, und wer nicht.

Auch in der Gemeindepolitik sind die Ortsbürger mächtig. Die Gruppe hat schon mehrfach Volksentscheide zu Fall gebracht. «So etwas geht heute gar nicht mehr», sagt Gian von Planta. «Ich will als gewähltes Mitglied eines Parlaments im Sinne des Volkes entscheiden können, ohne dass eine zusätzliche Macht sinnvolle Entscheide in der Umsetzung verhindert.»

Von Planta weiter: «Ich war im Glauben, dass jeder ohne Probleme Ortsbürger werden kann. Doch das ist ein Irrtum.» Der Maschinenbauingenieur hat die Selektion selbst erfahren müssen: Vermutlich, weil er als Kritiker der Ortsbürger bekannt ist, kassierte er an der Abstimmung am 22. Juni eine Absage. Er wurde an der Versammlung der Ortsbürger nicht eingebürgert.

Etwas weniger als ein Jahr zuvor hatte er im Badener Parlament einen kritischen Vorstoss platziert. Er bat den Stadtrat, eine Fusion der Ortsbürgergemeinde mit der Einwohnergemeinde Baden zu prüfen. Damit könne man auch in administrativen Dingen Synergien schaffen. Der Einwohnerrat lehnte den Vorstoss ab, aber an von Planta blieb das Image des Ortsbürger-Kritikers hängen. Ein Kritiker, der das bewährte System mit der heimlichen Macht abschiessen will.

Er hatte trotz der kritischen Haltung gute Gründe, Ortsbürger zu werden. Zu Blick sagt er: «Ein umfassender Dienst an der Allgemeinheit ist in Baden nur möglich, wenn man bei der Ortsbürgergemeinde dabei ist.» Zudem habe er sich erhofft, in die Organisation und die Entscheidungsfindung bei den Ortsbürgern Einblick zu gewinnen.

Intransparente Machtkonzentration

Von Planta kritisiert vor allem die intransparente Konzentration der Macht. «Nur etwa fünf Prozent der Bevölkerung sind Ortsbürger, aber ihnen gehören 60 Prozent des Gemeindegebiets. Es geht um viel Macht, die vom Stimmvolk nicht kontrolliert werden kann», fasst er zusammen.

Es ist speziell, dass gerade Gian von Planta nicht eingebürgert wurde. Seit 1910 hat es das in Baden nicht mehr gegeben. «Wie stark mir an der Versammlung der Gegenwind um die Ohren blies, überraschte mich schon sehr», sagt der beliebte Politiker.

Kritik aus eigenen Reihen

Die Ablehnung von Plantas kommt sogar in den eigenen Reihen nicht gut an. Der Ortsbürger und ehemalige Einwohnerratspräsident Sander Mallien schreibt in einem Leserbrief in der regionalen Wochenzeitung «Rundschau Süd»: «Es ist zum Fremdschämen. Einem verdienten Badener wurde die Einbürgerung verwehrt. Gewissen ‹mehrbesseren› Ortsbürgern war sauer aufgestossen, dass der engagierte Grossrat als Mitglied des Stadtparlaments dem Stadtrat durchaus berechtigte Fragen betreffend Organisation sowie heutiger Funktion der Ortsbürgergemeinde gestellt hatte.»

Von Planta hat von seinem Recht Gebrauch gemacht, gegen die verweigerte Einbürgerung Beschwerde einzulegen. Wegen des laufenden Verfahrens nimmt die Ortsbürgerschaft keine Stellung.

Die Institution der Bürgergemeinde in der Schweiz

Die Bürgergemeinde war die ursprüngliche Gemeindeform der Schweiz. Die Zugehörigkeit war an die Person und nicht an den Wohnort gebunden. Auch das Stimmrecht war damals mit der Mitgliedschaft verbunden. Erst mit der Gründung der Helvetischen Republik 1798 entstanden die Einwohnergemeinden – alle Einwohner hatten ab da die gleichen Rechte.

Die Bürgergemeinden aber bestimmen weiterhin aus dem Hintergrund das Geschehen mit, vor allem wirtschaftlich. Ihnen gehören weiterhin viel Land und zahlreiche Immobilien. In jedem Kanton veränderten sich die Macht- und Besitzverhältnisse der Bürgergemeinden unterschiedlich. So wurde zum Beispiel in Luzern im Jahr 2000 Bürger- und Einwohnergemeinde zusammengelegt. St. Gallen löste 2003 per Beschluss 20 Ortsgemeinden auf.

In der Stadt Bern hingegen spielt die Bürgergemeinde weiterhin eine wichtige Rolle. Ihr gehören 2000 Mietwohnungen, 3600 Hektaren Wald und eine eigene Bank. In den beiden Basel, in Graubünden und Solothurn bestimmen die Bürgergemeinden noch heute über die Einbürgerung – sie entscheiden, wer Schweizer Bürger werden kann, und wer nicht.

Kritiker will Ortsbürger werden – AZ

Verwunderung wegen Gian von Planta: Einst forderte er die Abschaffung der Ortsbürger, nun will er selber einer werden

Noch vor zwei Jahren sprach GLP-Grossrat Gian von Planta der Badener Ortsbürgergemeinde die demokratische Legitimierung ab und forderte die Fusion mit der Einwohnergemeinde. Das sind die Beweggründe des langjährigen Einwohnerrats.

An der Ortsbürgergemeindeversammlung vom 17. Juni im Waldgasthaus Baldegg wollen insgesamt 13 Einwohnerinnen und Einwohner das Bürgerrecht von Baden erwerben. Ein Name auf der Liste der Antragstellenden überrascht: Der grünliberale Grossrat und langjährige Einwohnerrat Gian von Planta möchte mitsamt seiner Frau und den zwei Töchtern Ortsbürger werden. Die Familie wohnt seit 2014 in Rütihof.

Bei den Ortsbürgern sorgt dieses Interesse für Verwunderung und Kopfschütteln. «Es erstaunt mich doch sehr, dass nun auch Herr von Plantas Name auf der Liste auftaucht», wundert sich Ortsbürger Martin Boesch aus Dättwil in einem Schreiben an das Badener Tagblatt. Schliesslich ist es noch nicht lange her, dass von Planta indirekt die Abschaffung der Badener Ortsbürgergemeinde forderte.

Die Existenz dieser Vereinigung führe zu einer Zweiklassengesellschaft in der Stadt, nur ein kleiner Teil der Bevölkerung könne wichtige Entscheidungen treffen, schrieb von Planta in einer Anfrage vom 1. Juli 2022 an den Badener Stadtrat.

Auch drei Stadträte sind seit kurzem Ortsbürger

Schon die Entstehung der Ortsbürgergemeinde vor rund 200 Jahren habe wenig mit Demokratie zu tun gehabt, «vielmehr mit der Erhaltung von Privilegien, die nicht mit allen Einwohnern geteilt werden sollen». Eine breite demokratische Legitimierung der Ortsbürgergemeinde fehle deshalb komplett, folgerte der Politiker und bat den Stadtrat, eine Fusion mit der Einwohnergemeinde Baden zu prüfen. Damit könne man auch in administrativen Dingen Synergien schaffen.

Die Antwort der Exekutive wurde an der Einwohnerratssitzung vom 24. Oktober 2023 behandelt, der Vorstoss abgelehnt. Nur einen Monat später wollten so viele Badenerinnen und Badener wie noch nie das Ortsbürgerrecht erlangen. Darunter waren auch drei Stadträte: Stadtammann Markus Schneider (Mitte), Stadträtin Steffi Kessler (SP) und Stadtrat Philippe Ramseier (FDP). Alle drei wurden in den «erlauchten Kreis» aufgenommen.

Gian von Planta möchte nun ebenfalls dazugehören. Doch woher sein plötzlicher Sinneswandel? Von Planta nennt mehrere Gründe. Er möchte dort, wo er lebe, mitbestimmen, ist einer davon. Ein anderer: Ihm sei gesagt worden, wie sinnstiftend die Ortsbürger seien, «und da bin ich mal neugierig».

Er erhoffe sich ausserdem einen vertieften Einblick in die Organisation der Institution und Antworten auf verschiedene Fragen: «Wie demokratisch sind die Prozesse? Wer bestimmt? Wie werden Entscheide vorbereitet? Ich bin nach wie vor kritisch eingestellt und sehe noch keinen Vorteil in dieser Parallelstruktur, dafür einige Nachteile», so von Planta weiter. Gerne lasse er sich jedoch vom Gegenteil überzeugen.

Fusionsgedanke ist noch nicht abgehakt

Eine Fusion mit der Einwohnergemeinde hat er offensichtlich noch keineswegs abgehakt: «Mir wurde gesagt, dass dafür auch die Zustimmung der Ortsbürger nötig sei und dass das schwierig sei. Also braucht es auch vorausschauende Ortsbürgerinnen und Ortsbürger – Personen, die für eine Fusion stimmen.»

In der Geschichte der Badener Ortsbürger wurde das Bürgerrecht noch nie jemandem verweigert, der die Aufnahmekriterien erfüllte. Gemäss Paragraf 2 des Reglements über den Erwerb des Ortsbürgerrechts von Baden müssen Interessenten unter anderem das Badener Bürgerrecht besitzen, nicht schwerwiegend mit dem Strafgesetz in Konflikt geraten sein, ihren finanziellen Verpflichtungen nachkommen, seit insgesamt fünf Jahren Wohnsitz in Baden haben und sprachlich gut in die lokalen Verhältnisse eingegliedert sein.

«Viele dieser Punkte wurden ja im Rahmen der Erteilung des Bürgerrechts für die Stadt Baden bereits vorgängig geprüft», so Gian von Planta, der seit Anfang Jahr Stadtbürger ist. Er sei deshalb zuversichtlich, dass auch er im Kreis der Ortsbürger Aufnahme finden wird.