Autobahn-Ausbau heftig umstritten
Autobahn-Ausbau auch in der Aargauer Politik heftig umstritten
Autobahnen ausbauen, Mobility-Pricing einführen, Mitfahr-Apps fördern oder Engpässe beseitigen?
In drei Wochen stimmt die Schweiz über Autobahn-Ausbauten für fast 5 Milliarden Franken ab. Es geht um Projekte in Bern, Schaffhausen, Basel, St.Gallen und am Genfersee. Auch im Aargau läuft die Diskussion heiss, dies zeigt ein Podium in Niederrohrdorf.
Ausbauschritt 2023 – so heisst die Vorlage offiziell, die am 24. November zur Abstimmung kommt. Dann entscheidet die Stimmbevölkerung, ob sechs Autobahnprojekte für 4,9 Milliarden Franken realisiert werden können. Das Bundesparlament hat zugestimmt, Umweltverbände haben das Referendum ergriffen. Konkret geht es um Ausbauten im Raum Bern (Wankdorf-Kirchberg), in Schaffhausen (Fäsenstaubtunnel), Basel (Rheintunnel), St.Gallen (Rosenbergtunnel) und am Genfersee (Le Vengeron-Nyon).
Obwohl keines der Projekte im Aargau liegt, empfiehlt der Regierungsrat ein Ja. Die Ausbauten seien eine wichtige Voraussetzung für die spätere Erweiterung der A1 zwischen der Verzweigung Birrfeld und Aarau Ost auf sechs Spuren, hielt er letzte Woche fest. Diese Argumentation ist umstritten – auch im Autobahnkanton gibt es Gegner der Vorlage. Dies zeigte sich an einem Podium in Niederrohrdorf, das von Mitte, GLP, SP und FDP organisiert wurde.
Beat Flach kurzfristig in der «Arena»
Nach drei einführenden Referaten von Alexander Erath (Leiter des Fachbereichs Verkehr und Mobilität an der Fachhochschule Nordwestschweiz), Katrin Schönenberger (Leiterin der Sektion Verkehrsplanung im Departement Bau, Verkehr und Umwelt) sowie Erwin Wieland (stellvertretender Direktor des Bundesamts für Strassen) wurde die Vorlage kontrovers debattiert.
Unter der Leitung von Mathias Küng, Ex-Politikchef der Aargauer Zeitung, diskutierten Mitte-Ständerätin Marianne Binder sowie die Grossräte Gian von Planta (GLP), Stefan Dietrich (SP) und Norbert Stichert (FDP). Der ursprünglich vorgesehene Grünliberalen-Nationalrat Beat Flach musste passen, weil er am gleichen Abend in die «SRF-Arena» zu den Autobahn-Vorlagen eingeladen wurde.
Sein Vertreter von Planta schlug als Alternative zu den Ausbauten neue Modelle wie Mobility-Pricing oder die Stärkung des öffentlichen Verkehrs vor. «Wenn der politische Wille hier ist, dann geht das», so der GLP-Politiker. Auf den Hinweis, dass man künftig selbstfahrende oder umweltfreundliche Elektroautos in Betracht ziehen müsse, entgegnet er, dass mehr Individualverkehr Platz brauche, den man nicht schaffen könne oder wolle. Man müsse jetzt einen Richtungsentscheid treffen, die Zentren sowie der Schienenverkehr sollten gestärkt werden, sagte von Planta.
Marianne Binder auf der Autostrada
Marianne Binder erzählte aus ihrer Kindheit, als sie mit ihren Eltern nach Italien in die Ferien fuhr. In der Schweiz ohne Autobahn zog sich die Fahrt über Stunden hin, auf der Autostrada in Italien ging es dann viel schneller weiter nach Süden. Binder sagte, auch im Hinblick auf die Schweizer Klimaziele dürfe das Auto nicht verteufelt werden, und man sollte den ÖV nicht gegen den Individualverkehr ausspielen. Umweltschutz sei wichtig, doch die sechs Autobahn-Engpässe stellten nach wie vor ein Problem dar, welches einer Lösung bedürfe.
SP-Co-Präsident Stefan Dietrich sagte, schweizweit 1,4 Millionen Fahrzeugbewegungen pro Tag seien im Hinblick auf die Klimaziele 2050 nicht vertretbar. Mit einem Ausbau der Autobahnen und somit einem langfristigen Anstieg des Pendelverkehrs setze man falsche Prioritäten. Das Zubetonieren der Landschaft, der Feinstaub sowie die Lärmbelastung seien ernst zu nehmende Probleme. Dem sollte man entgegenwirken und sich von der problematischen «Eine Person, ein Auto»-Regel lösen. Als Beispiel erwähnt er eine App, die in Tel Aviv eingesetzt wird und Carpooling ermöglicht.
Mobilität als Grundbedürfnis?
Zur CO2-Problematik der Personenwagen wendet Norbert Stichert ein, der heutige Stau trage zu diesen Emissionen bei. Die Abstimmung habe keinen direkten Zusammenhang mit der Klimaproblematik, sagte der FDPler. Das Konzept der Mitfahrgelegenheiten sei nicht überall sinnvoll oder möglich. Wichtig sei, dass das Grundbedürfnis der Mobilität in der Schweiz gedeckt sei. Man habe das Strassennetz in den Fünfzigerjahren geplant, in manchen Regionen seien zwangsläufig Engpässe entstanden, und die Infrastruktur habe Nachholbedarf, betonte der Freisinnige.
Binder betonte abschliessend, dass eine gesamthafte Verbesserung der Situation gefragt sei, damit der Verkehr nicht in den Agglomerationen stecken bleibe. Dietrich hielt dagegen, mit diesen Projekten werde kein Problem gelöst, sie seien intransparent, extrem teuer und nicht umweltfreundlich. Dass die Investition in Infrastruktur wegen der wachsenden Schweizer Bevölkerung sowie zur Mobilitätsförderung zwingend notwendig sei, führte Stichert ins Feld. Von Planta schliesslich argumentierte, es werde nie gelingen, die Staus mit Symptombekämpfung zu verringern, und der Ausbau werde bloss zu mehr Verkehr führen. (az)
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