Alte Privilegien unter Druck – NZZ

Relikte aus dem Ancien Régime oder Wohltäter? Die Ortsbürgergemeinden stehen in der Kritik und machen jetzt Werbung in eigener Sache

Bürgergemeinden und Korporationen sind grosse Landeigentümer. Obwohl sie vielerorts für bezahlbare Wohnungen sorgen, steht ihre demokratische Legitimität infrage.

Gian von Planta ist sich bewusst, dass er ein heisses Eisen anpackt. Doch das Thema beschäftigt den GLP-Politiker schon seit langem. «Es ist mit der schweizerischen Demokratie schwer vereinbar, dass es in vielen Gemeinden des Landes immer noch Leute gibt, die mehr zu sagen haben als andere», sagt von Planta. Ihn stört, dass wegen eines «Überbleibsels aus dem Ancien Régime» viele Schweizerinnen und Schweizer in vielen Gemeinden von wichtigen Entscheidungen faktisch ausgeschlossen sind.

Der Maschineningenieur, der im Aargauer Kantonsrat politisiert und früher dem Stadtparlament von Baden angehörte, zielt mit dieser Kritik auf die Bürgergemeinden und Korporationen. Von Planta belässt es nicht bei Worten. Er forderte den Stadtrat von Baden auf, zur Abschaffung der Ortsbürgergemeinde Stellung zu nehmen.

Privilegien für bestimmte Einwohner
Doch warum gibt es diesen Konflikt? Viele Schweizerinnen und Schweizer haben noch nie etwas von den Bürgergemeinden gehört. Dabei spielten sie als Keimzellen der Demokratie in der Alten Eidgenossenschaft eine wichtige Rolle. Ihr Ende schien mit der Besetzung der Schweiz durch die Franzosen 1798 besiegelt. Im Geiste der Revolution sollte das Prinzip der Gleichheit durchgesetzt werden. Ein einheitlicher Staat sollte ein einheitliches Bürgerrecht verleihen.

Doch bereits ab 1803 gingen die Kantone unterschiedliche Wege. Während Genf, Waadt und Neuenburg an der Einheitsgemeinde festhielten, gibt es in den anderen Kantonen noch 1650 Bürgergemeinden, Burgergemeinden, Korporationen, Zünfte, Patriziati und Bourgeoisies.

Das führt zu einem Grundkonflikt: Im Gegensatz zur politischen Gemeinde ist in der Bürgergemeinde nicht das Gebiet, sondern die persönliche Zugehörigkeit – durch Abstammung oder Einbürgerung –massgebend. Die Bürgergemeinde ist der Schutz der Ortsansässigen vor den Zugezogenen. Sie kann nach wie vor allein über ihr Eigentum verfügen. So besitzt die Ortsbürgergemeinde Baden, deren Privilegien von Planta nun schleifen will, rund 60 Prozent des Stadtgebiets.

Tobias Haller beschäftigt sich seit langem wissenschaftlich mit Bürgergemeinden und Korporationen. «Die Art und Weise, wie sie Ressourcen wie Wald und Weide nutzen, gilt international als Paradebeispiel für Nachhaltigkeit», sagt der Professor für Sozialanthropologie an der Uni Bern. In einem vom Schweizerischen Nationalfonds finanzierten Forschungsprojekt hat er zusammen mit einem Team aus den Universitäten Bern (Geschichte und Geografie) und Lausanne (Politologie) untersucht, wie sich die Nutzung und die Pflege dieser Ressourcen in den Kantonen Uri, Graubünden, Obwalden, Wallis und Tessin seit Mitte des 18. Jahrhunderts verändert haben.

Der Aspekt, dass diese Gemeinschaften nicht für alle offen sind, hat laut Haller immer wieder zu Diskussionen geführt. «Aus anthropologischer Sicht ist dieses Merkmal für Kollektiveigentum entscheidend. Man muss Mitglied sein, um verantwortungsvoll für die kommenden Generationen über das kollektive Eigentum entscheiden zu können», sagt er. Die Forschung habe gezeigt, dass viele dieser Commons, wie sie im Englischen genannt werden, eine gute Balance zwischen dem schwindenden Marktwert von Wald- und Agrarprodukten und der staatlichen Subventionspolitik gefunden hätten.

Der Wissenschafter weist darauf hin, dass in vielen Bürgergemeinden eine interne Quersubventionierung stattfindet, die in der Wirtschaft so nicht möglich wäre. «Angesichts der Tatsache, dass rund ein Drittel des Schweizer Waldes im Besitz von Bürgergemeinden und Korporationen sind, ist dies ein nicht zu unterschätzender Beitrag zur Biodiversität», betont Haller. Dasselbe gelte für die Sömmerungsgebiete im Alpenraum. Dieser Aspekt werde in der politischen Diskussion oft vergessen und sei in der Öffentlichkeit nicht präsent.

Im Verlauf der Zeit haben sich die Bürgergemeinden für einen erweiterten Personenkreis geöffnet. Teils passierte dies freiwillig, teils unfreiwillig durch Gerichtsurteile. Je nach Kanton veränderten sich die Macht- und Besitzverhältnisse der Bürgergemeinden unterschiedlich. In Luzern wurden im Jahr 2000 Bürger- und Einwohnergemeinden zusammengelegt. Im Aargau kam es zu freiwilligen Fusionen in einzelnen Gemeinden.

Nationaler Tag der Bürgergemeinde
Tendenziell nimmt die Bedeutung der Bürgergemeinden ab. Das Bild des unbekannten Wesens oder des unheimlichen Machtzirkels soll nun korrigiert werden. Am 14. September findet erstmals der nationale Tag der Bürgergemeinden und Korporationen unter dem Motto «Tag für alle» statt. «Wir wollen die wichtigen öffentlichrechtlichen Körperschaften bekannt machen und Vorurteile abbauen», so erklärt Elias Maier das Ziel der Aktion, an der sich über 400 Körperschaften beteiligen.

Maier ist der Geschäftsführer des Schweizerischen Verbandes der Bürgergemeinden und Korporationen (SVBK). Für den Tag der offenen Tür werben Prominente, unter ihnen der Skirennfahrer Marco Odermatt (Korporationsgenosse Buochs), die Moderatorin Christa Rigozzi (Bürgerin der Gesamtbürgergemeinde Aquila-Torre-Lottigna) und die Sängerin Stefanie Heinzmann (Ehrenburgerin Visp).

«Unsere Mitglieder wollen ihre vielfältigen Aktivitäten, ihr Engagement für die Allgemeinheit, ihre Geschichte, aber auch ihren Weg in die Zukunft präsentieren», erklärt Maier. Die Veranstaltungen finden im ganzen Land statt. Sie reichen von geführten Rundgängen über Besichtigungen und Informationen im Wald bis zu einem Tag der offenen Tür in den Gebäuden der Bürgergemeinden und Korporationen, von Besichtigungen in Rebbergen, Alters- und Pflegheimen (Bürger- und Burgerspitälern) und Fernwärmezentralen bis hin zu Konzerten oder Dorffesten und Märkten. Zudem bietet der Tag die Gelegenheit, den eigenen Heimatort besser kennenzulernen.

Dass viele dieser Aktivitäten im Wald stattfinden, ist alles andere als ein Zufall. Gehören doch rund 40 Prozent der Schweizer Waldfläche von 1,27 Millionen Hektaren den Bürgergemeinden und Korporationen. Die Wälder sind eine wichtige Einnahmequelle. Gemäss einer Umfrage des SVBK unter seinen Mitgliedern stammen 18,1 Prozent der Erträge aus der Holzwirtschaft.

Dieser «Waldreichtum» ist jedoch relativ. Seit einiger Zeit verdienen die meisten Bürgergemeinden und Korporationen damit kein Geld mehr. Vielmehr verursachen die Umstellung auf andere Baumarten wegen des Klimawandels, Wildverbiss und der Nutzungsdruck durch Biker und Wanderer zusätzliche Kosten. Der Wald als Finanzquelle, mit der die Bürgergemeinden soziale und kulturelle Aktivitäten quersubventionieren konnten, fällt weitgehend weg.

Hingegen sind Bürgergemeinden ein Gigant im Immobilienbereich. Viele dieser Körperschaften geben das ihnen gehörende Land im Baurecht an Bauherren ab. 30 Prozent ihrer gesamten Einnahmen fliessen aufgrund dieser Baurechte, weitere 27 Prozent sind Mieterträge. Für Doris Leuthard, Ortsbürgerin von Merenschwand und Sarnen, sind Bürgergemeinden daher wichtige Erbauer von bezahlbarem Wohnraum. «Die Ortsbürger kauften Land und verkauften dieses oft an junge Ortsbürger weiter, damit die Generationen im Dorf bleiben konnten», erklärte die Altbundesrätin 2023 an der Versammlung des SVBK. Ausserdem schüfen sie bezahlbare Mietwohnungen.

Gegen die reichen Bernburger
Als Musterbeispiel für diese Vorgehensweise gilt die Burgergemeinde Bern. Sie ist die reichste Körperschaft dieser Art in der Schweiz. Ohne die Burger geht in der Bundesstadt fast nichts. Ihren etwas über 18 000 Mitgliedern gehören rund 30 Prozent des städtischen Bodens, eine eigene Bank, das Burgerspital, das Kasino sowie das Naturhistorische Museum. Die Burgergemeinde setzt die Mittel, die sie aus ihren Liegenschaften und Besitztümern geniert, für die Bevölkerung ein. Sie «fördert das kulturelle, soziale und wissenschaftliche Leben in Stadt und Kanton Bern», wie sie auf ihrer Website schreibt.

Dem Berner SP-Stadtrat Halua Pinto de Magalhães ist diese «selbstverpflichtete Wohltätigkeit der Burgergemeinde» nicht genug. Vielmehr solle die Burgergemeinde das Erbe der Aristokratisierung in Bern anerkennen. Pinto de Magalhães fordert, dass in der Stadt Bern eine Strategie entwickelt wird, wie Burger- und Einwohnergemeinde vereinigt werden können. Im Dezember 2023 hat das Berner Stadtparlament das Postulat als erheblich erklärt. Zumindest personell sind die Verflechtungen bereits heute eng. Mit Stadtpräsident Alec von Graffenried und Michael Aebersold sitzen zwei Burger in der Stadtregierung.

Wie viele andere Versuche dürfte dieser Angriff auf die Bürgergemeinde auch diesmal scheitern. Auch in Baden sieht es nicht nach einem schnellen Ende der Ortsbürgergemeinde Baden aus. Dort wollte Gian von Planta in einem Schritt Ortsbürger werden und mehr über die Organisation erfahren. «Falls sie mich nicht von der Sinnhaftigkeit dieses Konstruktes überzeugt hätten, hätte ich Überzeugungsarbeit innerhalb der Ortsbürgergemeinde für ihre Auflösung gemacht», sagt er zu seinem Vorgehen.

Von Planta redet im Konjunktiv. Die Ortsbürger von Baden haben ihm im Juni die Einbürgerung verweigert. Eigentlich ist dieser Schritt eine Formsache, doch die Ortsbürger wollen ihren schärfsten Kritiker offenbar nicht in ihren Reihen haben. Auch der Stadtrat, welcher sowohl für die Ortsbürger- als auch für die Einwohnergemeinde die Exekutive ist, will von einer Fusion nichts wissen und hat eine entsprechende Anfrage abgelehnt.

Von Planta denkt nicht daran, aufzugeben. Er hat bei der Aargauer Regierung Beschwerde gegen den Einbürgerungsentscheid eingereicht. Danach bliebe der normale Rechtsweg als Option. «Ich bin gespannt, wie ein Gericht eine Organisation wie die Ortsbürgergemeinde staatspolitisch einordnet», sagt der GLP-Politiker. Je nach Begründung will er auf kantonaler Ebene einen Vorstoss zur Abschaffung der Ortsbürgergemeinden im Aargau prüfen. Einen Beliebtheitspreis wird er damit zumindest bei den Alteingesessenen nicht gewinnen.

Wie weiter mit der Axpo – Tages Anzeiger

Wie weiter nach dem Axpo-Nein?

Schaffhauser Abstimmung Die Angst vor der Privatisierung des Stmilwnzerns sorgt für den Rückschlag heim Axpo-Vertrag. Eine Überarbeitung des Regelwerks birgt Chancen — auch für Atomfreunde. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Stefan Häne

Es ist eine schmerzhafte Nieder­lage für die Axpo. Ihre Eignerkan­tone hatten ihre Zustimmung zum neuen Regelwerk für den grössten Stromkonzern der Schweiz bereits gegeben – bis auf Schaffhausen. Überraschend haben am Sonn­tag dessen Stimmberechtigte den Vertrag mit 53,4 Prozent versenkt. Ein linle-grün dominiertes Komi­tee hatte das Referendum ergrif­fen – und damit die erste kantona­le Vollsabstimmung zum Thema provoziert. Damit gilt weiterhin der Gründungsvertrag von 1914.

  • Was war beim Axpo-Vertrag umstritten?

Der Gründungsvertrag schliesst den Aktienverkauf an Dritte aus. Der neue Vertrag sah dies fürwei­tere ffinf Jahre vor. Danach hätten sich die Eigentümer auf eine Min­destbeteiligung von 51 Prozent verpflichtet, sie hätten also bis zu

49 Prozent der Aktien verkaufen können, wobei die Eignerkantone und ihre Elektrizitätswerke ein Vorkaufsrecht erhalten hätten. Die Gegner warnten, ein Verkauf an Dritte lenke Gewinne in private Taschen und schwäche die demo­kratische Kontrolle über die eige­ne Energieversorgung.

  • Gabs weitere Befürchtungen?

Ja Der neue vertrag hätte für acht Jahre gegolten. Danach hätten die Eigentümer die Verpflichtung zur Mindestbeteiligung justieren oder abschaffen können. Dazu hätten sie eine Mehrheit der Aktienan­teile, also ein Quorum von über

50 Prozent, und die Zustimmung von fünf Vertragsparteien benö­tigt. Dass diese Bedingungen er­füllt würden, taxierte die Schaff­hauser Regierung als «unrealis­tisch». Die Gegner wollten dieses Risiko keinesfalls eingehen, nur ein Nein zum neuen Vertrag ver­hindere die zukünftige Privatisie­rung der Axpo. Der Konzern müs­se in öffentlicher Hand bleiben, nicht zuletzt um die Sicherheit der Stromversorgung weiterhin ge­währleisten zu können und die Strompreise lange tief zu halten.

— Welche Folgen hat das Nein für die Axpo?

Für die operative Geschäftstätigkeit keine unmittelbaren. Dem Konzern fehlt nun aber weiterhin ein modernes juristisches Funda­ment. Die Eignerkantone werden in den nächsten Wochen das wei­tere Vorgehen besprechen. Inwie­weit die Option einer – teilweisen – Privatisierung Teil eines neuen Vertrags bleibt, wird sich weisen.

— Warum ist diese Option für die Axpo wichtig?

Können sich zusätzliche – priva­te – Aktionäre in die Axpo einkau­fen, kommt der Konzern zu mehr Geld, das er für den teuren Umbau der Energiewelt verwenden könn­te, etwa für Investitionen in neue Wind- oder Solarparks. Inwieweit die Kantone bereit sind, die Axpo mit mehr Eigenkapital auszustat­ten, ist offen. Zudem könnten pri­vate Aktionäre im Notfall schnel­ler zusätzliches Kapital einbrin­gen, als die Kantone mit ihren oft langwierigen parlamentarischen Prozessen dazu in der Lage sind. Zu Erinnerung: Im Herbst 2022 musste der Bund in einer Feuer­wehrübung der Axpo einen Ret­tungsschirm mit einem Kreditrahmen von 4 Milliarden Franken gewähren. Grund waren die Tur­bulenzen an den internationalen Strommärkten, welche die Liqui­dität des Konzerns gefährdeten. Das Geld benötigte der Stromkon­zern in der Folge nicht.

  • Wie reagiert die Axpoauf das Nein?

Der Konzern schrieb, er nehme den Entscheid der Stimmbevölkerung «mit Bedauern zur Kenntnis». Der Schaffhauser Baudirektor Martin Kessler (FDP) bedauert das Volks­verdikt ebenfalls. Das Referen­dumskomitee habe viele Ängste geschürt. «Man hat dem Stimm­volk gesagt, dass die Axpo Kraft­werke verkaufen und die Versor­gungssicherheit gefährden wolle.»

  • ist ein neuer Vertrag auch eine Chance?

Die Abstimmungsgewinner wol­len jedwede Privatisierungsoptio­nen vom Tisch haben. Sie machen nun Druck – und erhalten promi­nente Unterstützung. Mitte-Präsident Gerhard Pfister schreibt auf X: «Dass der Verkauf von Axpo-An­teilen an ausländische Unterneh­men nicht explizit ausgeschlos­sen wurde, war ein Fehler.» FDP-Präsident Thierry Burkart findet es «naheliegend», die umstritte­ne Bestimmung zu korrigieren. Eine Chance könnte ein neuer Ver­trag auch für die Atombefürworter sein. Das nun abgelehnte Regel­werk entstand nicht zuletzt unter dem Eindruck der Energiestrate­gie 2050, die die damalige Bundes­rätin Doris Leuthard nach der Nu­klearkatastrophe von Fukushima ab 2011 vorangetrieben hatte. Es enthält auch einen Passus zu den Kernkraftwerken, deren Neubau das Stimmvolk 2017 untersagt hat.

Was bedeutet der AKW-Passus im Vertrag?

Die Axpo muss auf «zusätzliche Beteiligungen im Bereich der Kernenergieproduktion verzich­ten». Was diese Vorgabe im Detail bedeutet hätte, Ist vor der Abstim­mung öffentlich kaum diskutiert worden. Was etwa wäre, wenn die Axpo ein neues Kernkraftwerk auf dem Gelände von Beznau bauen würde? Gänzlich unrealistisch sind solche Szenarien nicht mehr. Denn inzwischen ist das AKW-Neubau-verbot politisch unter Druck gera­ten, eine Volksinitiative will es auf­heben, Energieminister Albert Rösti plant einen Gegenvorschlag.

Rainer Meier, Ex-Sprecher der Axpo, gehört zu jenen, die im Nein die Chance sehen, die Axpo-Eig­nerstrategle zu überdenken. «Ein­fach aus anderen Gründen als oberflächlichem <Ausländer Mau­en unseren Strom>-Gebelle», wie er auf der Plattform X schreibt. Die Kemkraft-Klausel im Vertrag ist für Meier ein «dämlicher politischer Passus», der jetzt hinfällig sei.

  •  Gibt es weitere Forderungen?

Ja. Der Aargauer Kantonsparla­mentarier Glan von Planta (GLP) verlangt eine neue Strategie, die eine Trennung der Axpo in zwei Teile vorsieht. Der erste Teil bein­haltete die Netze und Kraftwerke und soll nicht privatisiert werden. Anders der zweite Teil, der das in­ternationale Handelsgeschäft um­fasst – ein Geschäft, das enorme Risiken berge und der Schweizer Stromversorgung nicht diene.

— Ist die AKW-Frage wichtig? Offenbar ziemlich wichtig. Der Aargauer SVP-Nationalrat Benja­min Giezendanner fordert einen Marschhalt. Bekennt sich die Axpo nicht zu einer Strategie, die auch den Bau eines neuen KKW oder eines Reservegaskraftwerks mit einschliesst, solle sich die öffent­liche Hand von diesem «Hoch­risikoinvestment» verabschieden Gabriela Suter sieht das anders. Die Axpo dürfe nicht «betriebs­wirtschaftlich unsinnige» Inves­titionen in neue AKW machen, sagt die Aargauer SP-Nationalrä­tin. «Ich erwarte, dass die Axpo ihre Strategie gemäss Volksent­scheiden ausrichtet und ihre sat­ten Gewinne in erneuerbare Ener­gieinfrastrukturen insbesondere im Inland investiert.»

Wiederstand gegen alte Zöpfe – Blick

Viele Schweizer haben noch nie von den sogenannten Bürgerorts- oder Burgergemeinden gehört. Und doch spielen sie in der Schweiz im Hintergrund noch immer eine gewichtige Rolle. In 1500 Gemeinden gibt es die Körperschaften nach wie vor, sie stammen aus der Zeit vor dem Einmarsch der Franzosen 1798.

Die Mitglieder haben einen etwas besseren Status als nur den des gewöhnlichen Schweizer Bürgers. Mitglied sein kann nur, wer entweder hineingeboren wurde oder sich in einer geheimen Abstimmung hat wählen lassen.

Enorme Besitztümer

Als Ortsbürger von Baden kommt man in den Genuss verschiedener Privilegien. Eines davon ist die Mitbestimmung über die enormen Besitztümer, hauptsächlich Wald, Land und Immobilien. Ortsbürger haben oft einfacheren Zugang zu altersgerechten Wohnungen.

Die Institution der Bürgergemeinde in der Schweiz

Die Bürgergemeinde war die ursprüngliche Gemeindeform der Schweiz. Die Zugehörigkeit war an die Person und nicht an den Wohnort gebunden. Auch das Stimmrecht war damals mit der Mitgliedschaft verbunden. Erst mit der Gründung der Helvetischen Republik 1798 entstanden die Einwohnergemeinden – alle Einwohner hatten ab da die gleichen Rechte.

Die Bürgergemeinden aber bestimmen weiterhin aus dem Hintergrund das Geschehen mit, vor allem wirtschaftlich. Ihnen gehören weiterhin viel Land und zahlreiche Immobilien. In jedem Kanton veränderten sich die Macht- und Besitzverhältnisse der Bürgergemeinden unterschiedlich. So wurde zum Beispiel in Luzern im Jahr 2000 Bürger- und Einwohnergemeinde zusammengelegt. St. Gallen löste 2003 per Beschluss 20 Ortsgemeinden auf.

In der Stadt Bern hingegen spielt die Bürgergemeinde weiterhin eine wichtige Rolle. Ihr gehören 2000 Mietwohnungen, 3600 Hektaren Wald und eine eigene Bank. In den beiden Basel, in Graubünden und Solothurn bestimmen die Bürgergemeinden noch heute über die Einbürgerung – sie entscheiden, wer Schweizer Bürger werden kann, und wer nicht.

Auch in der Gemeindepolitik sind die Ortsbürger mächtig. Die Gruppe hat schon mehrfach Volksentscheide zu Fall gebracht. «So etwas geht heute gar nicht mehr», sagt Gian von Planta. «Ich will als gewähltes Mitglied eines Parlaments im Sinne des Volkes entscheiden können, ohne dass eine zusätzliche Macht sinnvolle Entscheide in der Umsetzung verhindert.»

Von Planta weiter: «Ich war im Glauben, dass jeder ohne Probleme Ortsbürger werden kann. Doch das ist ein Irrtum.» Der Maschinenbauingenieur hat die Selektion selbst erfahren müssen: Vermutlich, weil er als Kritiker der Ortsbürger bekannt ist, kassierte er an der Abstimmung am 22. Juni eine Absage. Er wurde an der Versammlung der Ortsbürger nicht eingebürgert.

Etwas weniger als ein Jahr zuvor hatte er im Badener Parlament einen kritischen Vorstoss platziert. Er bat den Stadtrat, eine Fusion der Ortsbürgergemeinde mit der Einwohnergemeinde Baden zu prüfen. Damit könne man auch in administrativen Dingen Synergien schaffen. Der Einwohnerrat lehnte den Vorstoss ab, aber an von Planta blieb das Image des Ortsbürger-Kritikers hängen. Ein Kritiker, der das bewährte System mit der heimlichen Macht abschiessen will.

Er hatte trotz der kritischen Haltung gute Gründe, Ortsbürger zu werden. Zu Blick sagt er: «Ein umfassender Dienst an der Allgemeinheit ist in Baden nur möglich, wenn man bei der Ortsbürgergemeinde dabei ist.» Zudem habe er sich erhofft, in die Organisation und die Entscheidungsfindung bei den Ortsbürgern Einblick zu gewinnen.

Intransparente Machtkonzentration

Von Planta kritisiert vor allem die intransparente Konzentration der Macht. «Nur etwa fünf Prozent der Bevölkerung sind Ortsbürger, aber ihnen gehören 60 Prozent des Gemeindegebiets. Es geht um viel Macht, die vom Stimmvolk nicht kontrolliert werden kann», fasst er zusammen.

Es ist speziell, dass gerade Gian von Planta nicht eingebürgert wurde. Seit 1910 hat es das in Baden nicht mehr gegeben. «Wie stark mir an der Versammlung der Gegenwind um die Ohren blies, überraschte mich schon sehr», sagt der beliebte Politiker.

Kritik aus eigenen Reihen

Die Ablehnung von Plantas kommt sogar in den eigenen Reihen nicht gut an. Der Ortsbürger und ehemalige Einwohnerratspräsident Sander Mallien schreibt in einem Leserbrief in der regionalen Wochenzeitung «Rundschau Süd»: «Es ist zum Fremdschämen. Einem verdienten Badener wurde die Einbürgerung verwehrt. Gewissen ‹mehrbesseren› Ortsbürgern war sauer aufgestossen, dass der engagierte Grossrat als Mitglied des Stadtparlaments dem Stadtrat durchaus berechtigte Fragen betreffend Organisation sowie heutiger Funktion der Ortsbürgergemeinde gestellt hatte.»

Von Planta hat von seinem Recht Gebrauch gemacht, gegen die verweigerte Einbürgerung Beschwerde einzulegen. Wegen des laufenden Verfahrens nimmt die Ortsbürgerschaft keine Stellung.

Die Institution der Bürgergemeinde in der Schweiz

Die Bürgergemeinde war die ursprüngliche Gemeindeform der Schweiz. Die Zugehörigkeit war an die Person und nicht an den Wohnort gebunden. Auch das Stimmrecht war damals mit der Mitgliedschaft verbunden. Erst mit der Gründung der Helvetischen Republik 1798 entstanden die Einwohnergemeinden – alle Einwohner hatten ab da die gleichen Rechte.

Die Bürgergemeinden aber bestimmen weiterhin aus dem Hintergrund das Geschehen mit, vor allem wirtschaftlich. Ihnen gehören weiterhin viel Land und zahlreiche Immobilien. In jedem Kanton veränderten sich die Macht- und Besitzverhältnisse der Bürgergemeinden unterschiedlich. So wurde zum Beispiel in Luzern im Jahr 2000 Bürger- und Einwohnergemeinde zusammengelegt. St. Gallen löste 2003 per Beschluss 20 Ortsgemeinden auf.

In der Stadt Bern hingegen spielt die Bürgergemeinde weiterhin eine wichtige Rolle. Ihr gehören 2000 Mietwohnungen, 3600 Hektaren Wald und eine eigene Bank. In den beiden Basel, in Graubünden und Solothurn bestimmen die Bürgergemeinden noch heute über die Einbürgerung – sie entscheiden, wer Schweizer Bürger werden kann, und wer nicht.

Kritiker will Ortsbürger werden – AZ

Verwunderung wegen Gian von Planta: Einst forderte er die Abschaffung der Ortsbürger, nun will er selber einer werden

Noch vor zwei Jahren sprach GLP-Grossrat Gian von Planta der Badener Ortsbürgergemeinde die demokratische Legitimierung ab und forderte die Fusion mit der Einwohnergemeinde. Das sind die Beweggründe des langjährigen Einwohnerrats.

An der Ortsbürgergemeindeversammlung vom 17. Juni im Waldgasthaus Baldegg wollen insgesamt 13 Einwohnerinnen und Einwohner das Bürgerrecht von Baden erwerben. Ein Name auf der Liste der Antragstellenden überrascht: Der grünliberale Grossrat und langjährige Einwohnerrat Gian von Planta möchte mitsamt seiner Frau und den zwei Töchtern Ortsbürger werden. Die Familie wohnt seit 2014 in Rütihof.

Bei den Ortsbürgern sorgt dieses Interesse für Verwunderung und Kopfschütteln. «Es erstaunt mich doch sehr, dass nun auch Herr von Plantas Name auf der Liste auftaucht», wundert sich Ortsbürger Martin Boesch aus Dättwil in einem Schreiben an das Badener Tagblatt. Schliesslich ist es noch nicht lange her, dass von Planta indirekt die Abschaffung der Badener Ortsbürgergemeinde forderte.

Die Existenz dieser Vereinigung führe zu einer Zweiklassengesellschaft in der Stadt, nur ein kleiner Teil der Bevölkerung könne wichtige Entscheidungen treffen, schrieb von Planta in einer Anfrage vom 1. Juli 2022 an den Badener Stadtrat.

Auch drei Stadträte sind seit kurzem Ortsbürger

Schon die Entstehung der Ortsbürgergemeinde vor rund 200 Jahren habe wenig mit Demokratie zu tun gehabt, «vielmehr mit der Erhaltung von Privilegien, die nicht mit allen Einwohnern geteilt werden sollen». Eine breite demokratische Legitimierung der Ortsbürgergemeinde fehle deshalb komplett, folgerte der Politiker und bat den Stadtrat, eine Fusion mit der Einwohnergemeinde Baden zu prüfen. Damit könne man auch in administrativen Dingen Synergien schaffen.

Die Antwort der Exekutive wurde an der Einwohnerratssitzung vom 24. Oktober 2023 behandelt, der Vorstoss abgelehnt. Nur einen Monat später wollten so viele Badenerinnen und Badener wie noch nie das Ortsbürgerrecht erlangen. Darunter waren auch drei Stadträte: Stadtammann Markus Schneider (Mitte), Stadträtin Steffi Kessler (SP) und Stadtrat Philippe Ramseier (FDP). Alle drei wurden in den «erlauchten Kreis» aufgenommen.

Gian von Planta möchte nun ebenfalls dazugehören. Doch woher sein plötzlicher Sinneswandel? Von Planta nennt mehrere Gründe. Er möchte dort, wo er lebe, mitbestimmen, ist einer davon. Ein anderer: Ihm sei gesagt worden, wie sinnstiftend die Ortsbürger seien, «und da bin ich mal neugierig».

Er erhoffe sich ausserdem einen vertieften Einblick in die Organisation der Institution und Antworten auf verschiedene Fragen: «Wie demokratisch sind die Prozesse? Wer bestimmt? Wie werden Entscheide vorbereitet? Ich bin nach wie vor kritisch eingestellt und sehe noch keinen Vorteil in dieser Parallelstruktur, dafür einige Nachteile», so von Planta weiter. Gerne lasse er sich jedoch vom Gegenteil überzeugen.

Fusionsgedanke ist noch nicht abgehakt

Eine Fusion mit der Einwohnergemeinde hat er offensichtlich noch keineswegs abgehakt: «Mir wurde gesagt, dass dafür auch die Zustimmung der Ortsbürger nötig sei und dass das schwierig sei. Also braucht es auch vorausschauende Ortsbürgerinnen und Ortsbürger – Personen, die für eine Fusion stimmen.»

In der Geschichte der Badener Ortsbürger wurde das Bürgerrecht noch nie jemandem verweigert, der die Aufnahmekriterien erfüllte. Gemäss Paragraf 2 des Reglements über den Erwerb des Ortsbürgerrechts von Baden müssen Interessenten unter anderem das Badener Bürgerrecht besitzen, nicht schwerwiegend mit dem Strafgesetz in Konflikt geraten sein, ihren finanziellen Verpflichtungen nachkommen, seit insgesamt fünf Jahren Wohnsitz in Baden haben und sprachlich gut in die lokalen Verhältnisse eingegliedert sein.

«Viele dieser Punkte wurden ja im Rahmen der Erteilung des Bürgerrechts für die Stadt Baden bereits vorgängig geprüft», so Gian von Planta, der seit Anfang Jahr Stadtbürger ist. Er sei deshalb zuversichtlich, dass auch er im Kreis der Ortsbürger Aufnahme finden wird.

Politik will AEW einbremsen – AZ

Politik will AEW einbremsen: Der kantonale Stromversorger soll sich nicht mehr an privaten Firmen beteiligen dürfen

Soll der kantonale Energieversorger auch Generalunternehmer bei der Gebäudeautomation, Mitbesitzer eines digitalen Strommarktplatzes oder Betreiber einer Carsharing-Firma sein? Nein, finden mehrere bürgerliche Grossräte – sie wollen Beteiligungen der AEW Energie AG an privaten Firmen einen Riegel schieben.

Die AEW Energie AG soll nur Leistungen im Infrastrukturbereich erbringen, die direkt der Energieproduktion und Verteilung dienen: Das fordern Grossräte von Grünliberalen, FDP, SVP, EVP und Mitte in einem neuen Vorstoss im Kantonsparlament. Sprecher Gian von Planta (GLP) und seine Mitstreiter wollen damit verhindern, dass der Stromversorger, der vollständig im Besitz des Kantons ist, sich weiterhin an privaten Firmen beteiligen oder diese gar übernehmen darf.

«Die AEW Energie AG hat in den letzten Jahren nebst der Stromproduktion und Verteilung in neue Angebote investiert und sich zusätzlich an Firmen beteiligt, die Dienstleistungen erbringen, die auch von Privaten erbracht werden», schreiben die Grossräte. Als Beispiele nennen sie Virtual Global Trading (digitaler Handelsplatz für Strom, März 2021), Azowo (vernetzte Mobilität, September 2022), Partino Mobile Energie (Lösungen für Elektromobilität, November 2023) und GA Werkstatt.ch (Gebäudeautomation, Dezember 2023).

AEW soll Privatwirtschaft nicht konkurrenzieren

Die letzte Beteiligung löste Kritik von bürgerlichen Politikern aus: FDP-Nationalrat Matthias Jauslin sprach von «Machenschaften der AEW» und sagte, die Geschäftsleitung sei zurückzupfeifen. Sich in Geschäftsfeldern der Privatwirtschaft zu engagieren, sei nicht Aufgabe der AEW, der Regierungsrat müsse die Eignerstrategie überdenken, so Jauslin. Benjamin Giezendanner, SVP-Nationalrat und Präsident des Aargauischen Gewerbeverbands, findet es stossend, dass Staatsunternehmen auf «Shopping-Tour» bei privaten Betrieben gingen.

Der neue Vorstoss verlangt vom Regierungsrat, Dekret und Eigentümerstrategie so anzupassen, «dass die AEW Energie AG Firmen aus der Privatwirtschaft nicht konkurrenziert und sich auf Aufgaben konzentriert, die ihr von Gesetzes wegen zugedacht wurden und nur mit einem langfristigen Investitionshorizont geleistet werden können». Die Übernahme von Dienstleistungen für andere Elektrizitätswerke oder Gemeinden sowie das «Solarstrom- und Anlagencontracting» (Erstellung, Erneuerung, Unterhalt und Betrieb elektrischer Anlagen sowie der Bau von PV-Analgen für die Netzeinspeisung) wären weiterhin zulässig.

Kritik auch an neuester AEW-Kooperation

Genau eine Woche nachdem der Vorstoss im Grossen Rat eingereicht wurde, wird eine neue Kooperation bekannt. Die AEW und der in der Region Aarau tätige Energieversorger Eniwa haben die Carsharing-Firma «Swiss E-Car AG» gegründet und beteiligen sich zu je 50 Prozent daran. AEW und Eniwa arbeiten seit vier Jahren im Bereich der E-Mobilität zusammen. Heute stehen gemäss Mitteilung 59 E-Carsharing-Autos in fünf Kantonen zur Verfügung. Über 4200 Personen sind bereits registriert.

Das neue Unternehmen, das eine rein elektrische Fahrzeugflotte anbietet, sieht den Ausbau des Angebots auf die gesamte Schweiz vor. CEO Arian Rohs wird wie folgt zitiert: «Die steigende Nachfrage nach fortschrittlicher und ressourcenschonender Mobilität wird die Entwicklung von E-Carsharing beschleunigen. Swiss E-Car AG stellt in Kooperation mit Gemeinden, Unternehmen und Verwaltungen von Wohnüberbauungen ein attraktives und nachhaltiges E-Mobilitätskonzept zur Verfügung.»

GLP-Grossrat Gian von Planta ist von dieser Neugründung wenig begeistert. Er schreibt auf X (früher Twitter): «Sorry, aber auch das ist nicht Aufgabe eines staatlichen Verteilnetzbetreibers und Stromproduzenten.»

AEW äussert sich nicht, Regierungsantwort steht noch aus

Yvonne Kohler, Mediensprecherin der AEW Energie AG, teilt auf Anfrage zu Firmenbeteiligungen mit: «Diese Fragen betreffen die Eigentümerstrategie, an die wir uns konsequent halten.» Deshalb äussert sich das Unternehmen nicht und verweist auf die Antwort des Regierungsrats zum Vorstoss im Parlament. Diese steht noch aus, für ihre Stellungnahme zur AEW-Motion hat die Regierung drei Monate Zeit.

Zur umstrittenen Beteiligung an der Gebäudeautomationsfirma GA sagte AEW-Chef Marc Ritter im Dezember: «Mit der Beteiligung wollen wir nicht in direkte Konkurrenz treten, sondern als General- bzw. Totalunternehmen einen Platz für neue Geschäftsfelder finden.» Die meisten Investitionen gingen bei der AEW nach wie vor in das Kerngeschäft, die Netzinfrastruktur und die Eigenproduktion.

Als die Innerschweizer CKW vor zwei Jahren mehrere Installationsfirmen im Aargau übernahm, sagte Energiedirektor Stephan Attiger: «Die Stromproduzenten müssen ihre Produktion am freien Markt absetzen, rentabel sein und den Unternehmenswert erhalten oder steigern. Dies bedingt marktfähige Strukturen, was eine Diversifikation notwendig macht – auch in Richtung eines vollumfänglichen Dienstleistungsangebots und damit hin zu den Endkunden.»

Staatsfirmen an die kurze Leine nehmen?

Vier prominente Grossratsmitglieder von FDP, SVP, GLP und Mitte wollen Unternehmen im Kantonsbesitz mit neuen Regeln einbremsen.

Fabian Hägler

«Der Regierungsrat kann nachvollziehen, dass die Investitionstätigkeiten der AEW auf den ersten Blick als eine Konkurrenzierung der Privatwirtschaft erscheinen können.» Das steht in der Stellungnahme auf einen Vorstoss, der es dem grössten Energieversorger im Aargau verbieten wollte, sich an privaten Firmen zu beteiligen. Gleich danach heisst es aber: «Eine Einschränkung der Tätigkeiten der AEW möchte der Regierungsrat vermeiden.»

Die Regierung findet, die AEW konkurrenziere die Privatwirtschaft nicht. Zudem seien nicht alle Investitionen der Firma, die zu 100 Prozent dem Kanton gehört, reine betriebswirtschaftliche oder finanzielle Geschäfte. «Je nachdem sind es Kooperationen, die dem Wissenszuwachs dienen», schreibt die Regierung. Sie ist aber bereit, Produkte, Dienstleistungen und Investitionen der AEW eingehend zu prüfen.

Bürgerliche wittern Wettbewerbsverzerrung

Das reicht den Kritikern aus dem bürgerlichen Lager nicht, an der letzten Grossratssitzung haben sie mit einem neuen Vorstoss nachgelegt. Ein prominentes Quartett mit Adrian Schoop (FDP, Sprecher), SVP-Sekretärin Barbara Borer-Mathys, Mitte-Fraktionspräsident Alfons Paul Kaufmann und GLP-Fraktionschef Gian von Planta verlangt Massnahmen zur «Eindämmung der Marktexpansion und gegen Wettbewerbsverzerrung durch Staatsbetriebe».

Der Regierungsrat soll gesetzliche Grundlagen schaffen, sodass für Unternehmen im kantonalen Eigentum ein Zweckartikel eingeführt, Transparenzvorschriften erlassen und Compliance-Massnahmen ergriffen werden müssen. Die Grossräte kritisieren: «Die Übernahmepolitik der AEW Energie AG wirft ein Licht auf das problematische Potenzial von Staatsunternehmen, sich mit der Rückendeckung des Staates in einen unfairen Wettbewerb mit Privaten zu begeben.»

Als konkretes Beispiel nennen sie die Beteiligung der AEW an der GA-Werkstatt.ch AG, einem Anbieter von Lösungen zur Gebäude-Automation. Dies unterstreiche den Handlungsbedarf nach gesetzlichen Regelungen, um einen fairen Wettbewerb sicherzustellen. Die wettbewerbsverzerrende Gefahr beschränke sich nicht auf die AEW Energie AG, schreiben die Grossräte und weisen auf weitere Unternehmen im Staatsbesitz hin, so die Aargau Verkehr AG oder die Kantonsspitäler Aarau und Baden.

Zweck beschränken und Transparenz schaffen

Ihre Forderung stützen sie auf eine Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Unter dem Titel «Der Staat als Teilnehmer am Wettbewerb» zeige diese, dass Lücken in der Gesetzgebung bestehen, um die Wirtschaft «vor Wettbewerbsverzerrungen durch staatsnahe oder staatliche Unternehmen zu schützen». Besonders wichtig sei eine Abgrenzung zwischen gesetzlich privilegierten Tätigkeiten und der Teilnahme am allgemeinen Wettbewerb.

Damit solle sichergestellt werden, «dass staatliche Unternehmen ihre Aufgaben nur im Rahmen ihrer festgelegten Zwecke erfüllen». Die Grossräte fordern auch mehr Transparenz zu Kennzahlen, Geldflüssen und indirekten Finanzierungen. So könnten sich Kunden, Mitbewerber und Aufsichtsbehörden über staatliche Aktivitäten informieren, zudem liesse sich versteckte Wettbewerbsverzerrung «durch Quersubventionierung bei hybriden Tätigkeiten eines Staatsunternehmens verhindern».

Der Regierungsrat hat sich zum Vorstoss noch nicht geäussert, es ist aber anzunehmen, dass er diesen ablehnen wird. Stellung genommen hat die AEW-Spitze: An der Bilanzmedienkonferenz wehrte sich Präsident Raffael Schubiger gegen die Vorwürfe. Um die Versorgung im Rahmen der klimaneutralen Energiestrategie sicherstellen zu können, müsse die AEW verstehen, wie Solarpanels in Haushalten oder Ladestationen für Elektroautos in Verbindung mit dem Stromnetz funktionieren.

«Um dieses Wissen zu erwerben, beteiligen wir uns an Unternehmen. Wir kaufen sie nicht», betonte Schubiger. Er führte aus, wie über das Produkt «AEW myHome» Solaranlagen und Batteriespeicher zwar angeboten würden, deren Installation aber von privaten Firmen übernommen werde. Dadurch würde die AEW als Staatsunternehmen «eine Wirtschaftsleistung für Fachpartner generieren», also die Privatwirtschaft ankurbeln.

Die Kritiker sehen dies anders und fordern ein «level ­playing field» im aargauischen Marktumfeld. Innovationen und gesunde Firmen sollten nicht durch die übermächtige Konkurrenz des Staates behindert oder verdrängt werden. Wann der Vorstoss behandelt wird, ist noch offen – wenn die Ratsmitglieder der vier Parteien den prominenten Motionären folgen, dürfte er jedoch deutlich überwiesen werden.

Werden E-Autos ausgebremst? Es braucht ein Recht auf Laden – AZ

Elektroautos im Aargau: Die Zahl der öffentlichen Ladestationen wächst rasant – hier gibts die Übersicht

Wegen Zweifel zum Laden zögern viele Menschen in der Schweiz, ein Elektroauto zu kaufen. Doch Ladesäulen auf Parkplätzen oder in Einkaufszentren gibt es im Aargau mehr als genug, wie eine Auswertung zeigt. Wichtig wäre ein leichterer Zugang zu Heimladestationen.

Elektroautos werden im Aargau immer beliebter: 23 von 100 neu zugelassenen Autos im vergangenen Jahr fahren mit Strom, wie Zahlen des Bundesamtes für Statistik zeigen. Vor drei Jahren lag der Anteil der Elektroautos unter den Neuzulassungen noch bei 13 Prozent.

Dennoch entscheidet sich die grosse Mehrheit beim Kauf eines Autos immer noch für einen Verbrenner. Dies oft wegen Sorgen zum Laden des Elektroautos. Zu diesem Schluss kommt eine schweizweite Umfrage des TCS aus dem Jahr 2023. Rund ein Drittel der Befragten gab darin an, dass sie wegen «fehlender oder zu wenigen Lademöglichkeiten» kein Elektroauto kaufen würden. Doch sind die Bedenken im Aargau berechtigt?

Aargau hat überdurchschnittlich viele Ladestationen

Verlässliche Daten zu Lademöglichkeiten für Elektroautos liegen nur für öffentlich zugängliche Ladestationen vor. Im Aargau gibt es derzeit 962 solche. Auf 100 Quadratkilometer Fläche kommen somit 66 Ladestationen – doppelt so viele wie im Schweizer Durchschnitt.

Dichte der öffentlichen Ladestationen im Aargau liegt über Schweizer Schnitt

Tabelle mit 3 Spalten und 27 Zeilen. Derzeit werden die Zeilen 1 bis 12 . Absteigend sortiert nach Spalte „Anzahl Ladestationen pro 100 km²“
Basel-Stadt
731
270
Genève
261
738
Zug
153
366
Zürich
101
1’751
Basel-Landschaft
72
371
Aargau
66
932
Luzern
48
721
Schaffhausen
45
133
St. Gallen
43
874
Solothurn
40
319
Vaud
35
1’109
Schweiz
31
12’824
Der Ausbau des öffentlichen Ladenetzes geht schnell voran. Allein im vergangenen Jahr wurden im Aargau fast 250 neue Ladestationen gebaut. In den Nachbarkantonen Zürich und Bern ist das Ausbautempo ähnlich hoch. In Solothurn hingegen stagnierte die Zahl der Ladestationen zuletzt.

Ausbau des Ladenetzes geht bei den Nachbarn schneller voran

Anders im Aargau: Hier gibt es keine Strategie, wie die öffentliche Ladeinfrastruktur in Zukunft aussehen soll. «Der Aufbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur soll den Marktakteuren überlassen werden», heisst es auf Anfrage beim Kanton. Denn viel wichtiger als die öffentlichen Ladestationen seien die privaten. 80 bis 90 Prozent aller Ladevorgänge erfolgten zuhause oder am Arbeitsplatz, schrieb der Regierungsrat in einer Antwort auf einen Vorstoss zur Elektromobilität Ende 2022.

Keine Daten zu privaten Ladestationen

Wie viele private Ladestationen es im Aargau gibt, ist nicht bekannt. Eigentlich müssten neue Ladestationen dem lokalen Elektrizitätswerk gemeldet werden. In der Praxis tun dies aber nur wenige. Zudem werden die Daten nicht in einem zentralen Register gesammelt.

Für eine grobe Abschätzung hatte der Kanton Ende 2020 bei den drei grössten Stromversorgern – AEW, Eniwa und Regionalwerke – die Anzahl gemeldeter privater Ladestationen erfragt. Ausgehend von damals rund 4000 immatrikulierten Elektrofahrzeugen im Aargau gab es mindestens für jedes siebte Elektroauto eine private Ladestation.

Mittlerweile sind bei den drei grössten Stromversorgern fast 3000 private Ladestationen angemeldet – sechsmal mehr als noch vor dreieinhalb Jahren. Bei 13’500 Elektroautos gibt es also schätzungsweise für jedes fünfte Auto eine private Ladestation. Die Abdeckung scheint sich also verbessert zu haben.

Förderprogramm vom Regierungsrat abgelehnt

Wer zur Miete oder in einer Eigentumswohnung wohnt, hat es jedoch deutlich schwerer, eine Ladestation zu installieren als Häuserbesitzer. Hier sieht die Aargauer Politik denn auch den grössten Handlungsbedarf. Ende 2022 forderte SP-Grossrätin Gabi Lauper in einer überparteilichen Motion ein kantonales Förderprogramm für private Ladestationen in Mehrparteiengebäuden.

Der Regierungsrat anerkannte damals zwar, dass die fehlende Ladeinfrastruktur zuhause ein «relevantes Hemmnis» für den Umstieg auf ein Elektroauto darstelle. Er lehnte das Anliegen jedoch ab, mit der Begründung, die Verwaltung erarbeite zahlreiche Massnahmen. Der Vorstoss wurde letztlich als unverbindliches Postulat überwiesen.

GLP fordert «Recht auf Laden»

Was ist seither passiert? Auch in Reaktion auf den Vorstoss von Lauper hat die Verwaltung ein Förderprogramm für Mehrparteiengebäude erarbeitet, heisst es auf Anfrage beim Kanton. Dieses sei jedoch im vergangenen Jahr «auch aufgrund des Spardrucks» abgelehnt worden.

Es gibt aber auch Stimmen, die den Nutzen von Subventionen für einen schnelleren Umstieg auf Elektromobilität infrage stellen. Einer von ihnen ist GLP-Grossrat Gian von Planta. «Subventionen bevorteilen eine spezifische Gruppe zulasten aller Steuerzahlenden», sagt er. Viel wichtiger sei es, dass Mieterinnen und Mieter das Recht erhalten würden, selbstständig eine Ladestation zu errichten.

Da jedoch bei der Mobilität der Bund federführend ist, braucht es dafür eine Gesetzesänderung auf nationaler Ebene. Das «Recht auf Laden», wie es Deutschland schon seit 2020 kennt, sei dringend nötig, um die grosse Masse zu erreichen. «Jene, die einfach auf ein Elektroauto umstellen können, haben es wohl schon getan.»

Kanton setzt auf mehr Aufklärung zu E-Autos

Auch Swiss eMobility sieht im erleichterten Einbau von privaten Ladestationen die wichtigste Voraussetzung für einen raschen Umstieg auf Elektroautos. Verbandspräsident und GLP-Ständerat Jürg Grossen hatte eine solche Gesetzesänderung bereits 2021 mit einer Motion gefordert. Diese verjährte, vor einem halben Jahr hat er das Anliegen erneut eingereicht.

Der Aargau setzt derweil vor allem auf Aufklärung und Beratung. Marc Zurfluh, Fachexperte in der Abteilung Energie, sagt, es gebe noch viel falsches Wissen über Elektroautos – beispielsweise zur Reichweite oder zum ökologischen Vorteil gegenüber Verbrennern. Auch deshalb erwägt der Kanton, eine Website mit Informationen zur Elektromobilität für Privatpersonen aufzuschalten.

Videoüberwachung in Baden sistieren? – BT

Videoüberwachung: Grossrat fordert Abschaltung der Kameras für ein Jahr

Baden will sein Überwachungssystem für knapp 1,3 Millionen Franken modernisieren. Gian von Planta verlangt einen Marschhalt. Was aber, wenn genau dann ein schweres Verbrechen passiert? «Das ist der Preis für die Freiheit und dafür, dass wir nicht zum Überwachungsstaat werden.»

Die Stadt Baden will ihre rund 300 Videoüberwachungskameras ersetzen. Kosten: Rund 1,3 Millionen Franken. Die Anlagen seien am Ende ihres technischen Lebensalters angelangt, so der Stadtrat.

Gian von Planta aus Baden, langjähriger Einwohnerrat und inzwischen für die Grünliberalen im Grossrat, schlägt auf «X» (früher Twitter) vor: «Wie wäre es, wenn wir sie statt zu erneuern, die Kameras erst einmal alle für ein Jahr abstellen und schauen, ob Schäden und Verbrechen in der Stadt zunehmen?»

Gian von Planta (GLP): «Machen wir weiter wie bisher, haben wir am Ende Verhältnisse wie in China.»

Gian von Planta (GLP): «Machen wir weiter wie bisher, haben wir am Ende Verhältnisse wie in China.»

Bild: Britta Gut

Von Planta ergänzt auf Anfrage: «Mich stört, dass in Baden immer mehr überwacht wird.» Er ist überzeugt: «Kameras machen das Gewaltpotenzial keinesfalls kleiner.» Die Taten würden stattdessen an einen Ort verschoben, wo sie nicht sichtbar seien.

Im Sinne eines einjährigen Moratoriums könnte in Baden mit der Abschaltung der Kameras ihr Nutzen überprüft werden, so seine Idee. Diese Forderung beziehungsweise seinen Kommentar auf «X» hat sich von Planta reiflich überlegt. «Stellen Sie sich vor, die Kameras werden tatsächlich abgestellt, und dann passiert ausgerechnet dort ein schweres Verbrechen, wo zuvor gefilmt wurde.»

Die erste Frage wäre: «Wer ist verantwortlich»?, führt von Planta aus. «Man würde vielleicht mit dem Finger auf mich zeigen. Aber ich denke, genau das muss man aushalten. Das ist der Preis für die Freiheit und dafür, dass wir nicht zum Überwachungsstaat werden.»

In Baden filmen über 300 Überwachungskameras den öffentlichen Raum. Weit mehr als in anderen Aargauer Städten wie Aarau (rund 100) oder Brugg (rund 50). Baden müsse sich überlegen, in welche Richtung man punkto Überwachung gehen wolle. «Machen wir weiter wie bisher, haben wir am Ende Verhältnisse wie in China.»

Warum eigentlich setzt Baden auf ein derart dichtes Videoüberwachungsnetz? «Ich vermute, dass es bei der Polizei einen Kamera-Fan gibt», so von Planta. Die Polizei werde das System sicherlich ausbauen wollen.

Stadtpolizeichef Martin Brönnimann erachtet den Nutzen der Kameras als gross, wie er in einem Interview vor drei Jahren sagte: «Es ist schon auffällig: Seit wir die Kameras auf der Ruine installiert haben, herrscht Ruhe. Vom einen Tag auf den anderen.»

Und Videos von anderen Standorten hätten der Polizei schon bei diversen Ermittlungen geholfen, «wir konnten schon oft die Täterschaft identifizieren. Diesbezüglich haben die Kameras in meinen Augen ihre Berechtigung».

Hinzu komme der psychologische Aspekt, bei manchen Menschen steige das Sicherheitsgefühl, so Brönnimann. «Aber es ist eine Tatsache: Wir haben in Baden, im Vergleich zu anderen Städten, ein gehöriges Mass an Kameras.»

Streitgespräch Gian von Planta (GLP) und Robert Obrist (Grüne) zur Klimainitiative – SRF Regionaljournal

Klimaschutz: Die Aargauer Stimmberechtigten stimmen am 18. Juni über die Volksinitiative zum Klimaschutz ab. Die Grünliberalen lehnen das Begehren ab. Die Grünen unterstützen es. Ein Streitgespräch zwischen Gian von Planta (GLP) und Robert Obrist (Grüne)

 

Link zum Gespräch

(ab Minute 9)

Ortsbürger abschaffen? – AZ

Ortsbürger abschaffen? Der Stadtrat hat dazu eine klare Meinung

Gian von Planta von den Grünliberalen will die Ortsbürgergemeinde auflösen. Sie führe in Baden zu einer Zweiklassengesellschaft. Nun äussert sich die Badener Regierung zur Frage.

Pirmin Kramer
Ortsbürger lösen sich vielerorts auf. Auch in Baden gibt es Kritik.

Ortsbürger lösen sich vielerorts auf. Auch in Baden gibt es Kritik.

Bild: Silvan Wegmann

Die Ortsbürger in Baden spüren seit einigen Monaten Gegenwind. Im Herbst wurde Kritik an der Liegenschaftspolitik laut: Sie würde auf ihrem Boden Wohnungen im Luxussegment erstellen, statt den sozialen Wohnungsbau zu fördern, kritisierte der ehemalige SP-Grossrat Jürg Caflisch. Es stelle sich grundsätzlich die Frage, ob Ortsbürgergemeinden noch zeitgemäss seien. «Mit einer solchen Liegenschaftspolitik sicher nicht», so Caflisch.

Gegen diese Vorwürfe wehren sich die Ortsbürger: Die Ortsbürgergemeinde betreibe seit vielen Jahrzehnten eine ausgewogene Baulandpolitik und bemühe sich, ihr Handeln an den Interessen der gesamten Bevölkerung auszurichten und Partikularinteressen nicht zu begünstigen.

Doch neben Caflisch gibt es weitere Politiker, welche die Existenzberechtigung der Ortsbürger infrage stellen. Gian von Planta von den Grünliberalen fordert offiziell die Abschaffung der Ortsbürgergemeindeversammlung beziehungsweise deren Fusion mit der Einwohnergemeindeversammlung. Hierfür reichte er eine Anfrage beim Stadtrat ein. Seine Argumentation: In Baden gebe es verschiedene Klassen von Einwohnerinnen und Einwohnern. Je nachdem, welcher Klasse man angehöre, habe man mehr Rechte.

Zu den Privilegierten gehöre, wer an der Ortsbürgergemeindeversammlung teilnehmen dürfe. Diese Personen könnten entscheiden, wie das Geld aus dem Ortsbürgervermögen genutzt werden soll. Dabei handle es sich um Vermögen, welches notabene ursprünglich allen Einwohnern von Baden gehört habe.

Gian von Planta, Grünliberale.

Gian von Planta, Grünliberale.

Bild: zvg

Die meisten Kantone würden den Unterschied zwischen Ortsbürgergemeinde und Einwohnergemeinde nicht mehr kennen. Eine breite demokratische Legitimierung fehlt komplett, regelmässig nähmen weniger als 10 Prozent der Ortsbürgerinnen und Ortsbürger an den Versammlungen teil, so von Planta.

An der Ortsbürgergemeindeversammlung darf teilnehmen, wer im Besitz des Badener Ortsbürgerrechts ist, hier wohnt und stimmberechtigt ist. Rund 750 Personen besitzen momentan das Ortsbürgerrecht, davon sind rund 640 stimmberechtigt.

Die Ortsbürgergemeinde ist Eigentümerin von rund 60 Prozent des Stadtgebiets, ihr gehören 99 Prozent des Badener Waldes, und sie besitzt unter anderem Anteile an den Thermalwasserquellen «Limmatquelle» und «Heisser Stein». Man helfe mit, Lasten zu tragen, welche die Stadt Baden selber nicht tragen könne oder dürfe, schreiben die Ortsbürger über sich. Die Ausgangslage sei vielleicht ein wenig vergleichbar mit dem Lotteriefonds des Regierungsrates, heisst es auf der Website weiter.

Unter anderem aus diesem Grund will der Stadtrat an der Ortsbürgergemeinde festhalten, wie er in seiner Antwort auf die Anfrage von Gian von Planta schreibt. Sie habe den Bau des «Heissen Brunnens» finanziert, einen finanziellen Beitrag an die Sanierung des Pfadiheims Rütibuck geleistet und während der Pilotphase Beiträge ans Altersnetzwerk entrichtet. Ausserdem übernahmen die Ortsbürger die Chrättli-Parzelle im Baurecht, wodurch die Zukunft des Quartlierladens gesichert ist.

Hinzu kommt: «Die Badener Ortsbürgergemeinde steht – im Gegensatz zu vielen anderen Ortsbürgergemeinden – finanziell auf soliden Beinen und hat nicht mit Mitgliederschwund zu kämpfen.» Solange das so sei, dürften es Bestrebungen, die Ortsbürgergemeinde mit der Einwohnergemeinde zu fusionieren, zumindest auf Seite der Ortsbürgergemeinde schwer haben, ist der Stadtrat überzeugt.

Von fehlender Legitimation kann nach Meinung des Stadtrats nicht gesprochen werden. An den Ortsbürgergemeindeversammlungen, die jeweils zweimal pro Jahr stattfinden, würden durchschnittlich rund 70 Personen teilnehmen. Das seien rund 11 Prozent der in Baden lebenden rund 630 stimmberechtigten Ortsbürgerinnen und Ortsbürger.

Und der Stadtrat erwähnt, dass praktisch jeder Entscheid der Ortsbürgergemeindeversammlung zu Sachgeschäften dem fakultativen Referendum unterliegt, weil das Quorum von 20 Prozent so gut wie nie erreicht wird. Die beschliessende Mehrheit an einer Gemeindeversammlung entscheidet also fast nie endgültig.

Mit der Antwort des Stadtrats ist das letzte Wort zur Zukunft der Ortsbürger noch nicht gesprochen. An der nächsten Einwohnerratssitzung Ende Mai wird das Stadtparlament über von Plantas Vorstoss diskutieren.

Kasernenpfennig für den Vatikan und Notrecht für den Fussballclub – Zofiger Tagblatt

Streit um Vatikan-Besuch – TalkTäglich Tele M1

Der Aargau hat am Wochenende den Vatikan erobert. Mehrere hundert Personen aus dem Gastkanton Aargau reisten nach Rom und verfolgten die Vereidigung der Schweizergardisten live. Der Aargauer Auftritt war dem Kanton 170’000 Franken wert. Zudem zahlt die Regierung weitere 700’000 Franken (via Swisslos-Fonds) für die neue Kaserne der Schweizergardisten. Geldverschwendung oder beste Werbung für den Kanton?
Erstausstrahlung:

Gäste:

  • Joana Filippi, Staatsschreiberin Kt. Aargau
  • Luc Humbel, Präsident katholische Kirche AG
  • Gian von Planta, Fraktionspräsident glp AG

Moderation: Rolf Cavalli

Rezenssion in der AZ vom 2023-05-10

Kontroverse

700’000 Franken für Gardisten-Kaserne: Darf der Regierungsrat bald nicht mehr allein über Swisslos-Gelder entscheiden?

GLP-Fraktionschef Gian von Planta will, dass Spenden ab einem gewissen Betrag nicht mehr in die Kompetenz des Regierungsrats fallen. Im «Talk Täglich» stritt er mit Staatsschreiberin Joana Filippi und Katholiken-Präsident Luc Humbel über die 700’000 Franken, welche der Kanton Aargau für den Bau einer neuen Kaserne für die Schweizergarde in Rom spendet.

Fabian Hägler 6 Kommentare
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Gian von Planta (GLP-Fraktionschef), Luc Humbel (Präsident des katholischen Kirchenrats) und Joana Filippi (Staatsschreiberin, von links) zu Gast im TalkTäglich bei Moderator Rolf Cavalli.

Gian von Planta (GLP-Fraktionschef), Luc Humbel (Präsident des katholischen Kirchenrats) und Joana Filippi (Staatsschreiberin, von links) zu Gast im TalkTäglich bei Moderator Rolf Cavalli.

Screenshot / Tele M1

Es war ein polemischer Tweet, den Gian von Planta, Fraktionschef der Grünliberalen, am Montag absetzte: «700’000 Franken für einen Händedruck mit dem Papst?» schrieb er zu einem Bild, das den Aargauer Finanzdirektor Markus Dieth bei der Audienz mit dem Oberhaupt der katholischen Kirche in Rom zeigt. Dieth hatte zusammen mit seinen vier Regierungsratskollegen im letzten Herbst entschieden, für den Neubau der Kaserne der Schweizergarde im Vatikan einen Betrag von 700’000 Franken aus dem Swisslos-Fonds zu spenden.

Auf Nachfrage der AZ sagte von Planta, die grosszügige Spende störe ihn: «Es ist viel Geld und kommt aus einem Fonds, der eigentlich für Projekte im Aargau gedacht wäre.» Der GLP-Grossrat kritisierte auch, dass der Regierungsrat in eigener Kompetenz über die Swisslos-Gelder entscheiden könne. «Allenfalls muss man dort ansetzen und diese Bestimmungen ändern», sagte von Planta und kündigte an, sich entsprechende Gedanken zu machen.

Am Dienstagabend wurde der Grünliberale im «TalkTäglich» von Tele M1 dann konkreter. «Ich möchte nicht über jeden Beitrag von wenigen tausend Franken abstimmen müssen, aber ab einer gewissen Summe sollten die Spenden dem demokratischen Prozess unterstellt werden.» Zuvor hatte von Planta gesagt, aus seiner Sicht sei die Schweizergarde eine religiöse Institution, die nicht mit Swisslos-Geldern unterstützt werden dürfe. «Gardisten müssen praktizierende Katholiken sein, zudem hätte der Vatikan sicher genügend Geld, um den Kasernenbau zu finanzieren.»

Katholiken-Präsident: «Es ist logisch, bei Kantonen um Geld zu fragen»

Anders sieht dies Luc Humbel, der Präsident der römisch-katholischen Landeskirche, die das Heu bekanntlich nicht immer auf der gleichen Bühne hat wie der Vatikan. Humbel war mit der Delegation des Gastkantons Aargau bei der Vereidigung der neuen Gardisten in Rom dabei und findet: «700’000 Franken sind zwar sehr viel Geld, aber dieser Beitrag wird nur alle 400 Jahre nachgefragt, die Kaserne wird zum ersten Mal erneuert», sagte er. Zudem könnten mit Swisslos-Geldern auch Institutionen mit nationaler Ausstrahlung unterstützt werden, was bei der Garde der Fall sei.

Gian von Planta, Luc Humbel und Joana Filippi (von links) zu Gast im «TalkTäglich».

Video: Tele M1

Humbel sagte weiter, er würde es zwar begrüssen, wenn der Vatikan sich auch an den Kosten für den Kasernenneubau beteiligen würde. Nun tue Rom das nicht, dennoch sei es logisch, bei den Kantonen um Geld zu bitten. Der Kirchenratspräsident hätte auch nichts dagegen, über einen Kantonsbeitrag abstimmen zu lassen, nur sei dies im Aargau gesetzlich nicht vorgesehen und der Regierungsrat könne entscheiden.

Staatsschreiberin Filippi: «Es gab Diskussionen im Regierungsrat»

Unumstritten sei die 700’000-Franken-Spende nicht gewesen, es habe durchaus Diskussionen gegeben, sagte Staatsschreiberin Joana Filippi, die bei den Regierungssitzungen dabei ist. Einstimmig dürfte der Entscheid nicht gefallen sein, doch Filippi hielt fest, dass die Spende rechtmässig sei. Es gebe mehrere Gardisten aus dem Aargau, diese hätten insgesamt schon 80 Mannjahre geleistet. Zudem habe die Garde den Auftrag, den Papst zu schützen, sie führe aber keine religiöse Akte durch.

Filippi betonte, der Kanton habe nicht dem Vatikan Geld gegeben, sondern der Garde. «Und es ist dringend, dass die Kaserne erneuert wird, sie ist in einem desolaten Zustand.» Die Kasernenstiftung habe einen Beitrag von 1 Franken pro Einwohner des Kantons empfohlen, daran habe sich der Aargau gehalten. Und man habe klare Bedingungen gesetzt: Das Geld werde erst ausbezahlt, wenn die Baubewilligung vorliege und genug andere Kantone sich ebenfalls beteiligten.

SP-Grossrätin unterstützt Neuregelung der Swisslos-Gelder

Ob der Regierungsrat weiter in eigener Kompetenz hohe Spenden aus dem Swisslos-Fonds vergeben kann, ist allerdings offen. Nicht nur GLP-Fraktionschef von Planta, sondern auch SP-Grossrätin Lelia Hunziker sieht den Beitrag sehr kritisch. «Leider ist im Aargau ein Referendum nicht möglich», schrieb sie auf Twitter mit Blick auf den Kanton Luzern, wo ein Beitrag von 400’000 Franken vom Volk abgelehnt wurde.

Hunziker weiter: «Wir sparen an allen Ecken und Enden in der Bildung, beim Gesundheits- und Asylwesen. Wenn aber Halleluja ins Spiel kommt, klimpern die Batzen.» Die Politik sollte sich Gedanken darüber machen, wie die Lotteriefondsgelder reguliert werden könnten. «Heute kann der Regierungsrat alleine darüber befinden, es ist quasi ein Selbstbedienungsladen für alle mit guten Kontakten.» Für die SP-Grossrätin ist klar: Es braucht Kriterien und Ziele für die Vergabe.